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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
101.1982
Seite: 153
(PDF, 45 MB)
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um Fürsprache gebeten, daher verschiedene heilige Stätten aufgesucht wurden,
geht auch aus anderen Quellen hervor.

Zugunsten ihres Seelenheiles machten viele Menschen gegen Ende ihres Lebens
eine Wallfahrt; verhinderten Krankheit oder andere Gründe die Verwirklichung
dieses Vorhabens, so wurde — von entsprechend vermögenden Personen — nicht
selten testamentarisch verfügt, daß eine oder mehrere fromme Personen die Pilgerreise
gegen angemessene Belohnung stellvertretend ausführen sollten. Spätmittelalterliche
Testamente aus Lübeck, schon vor Jahrhunderten auf diese Frage
hin untersucht,9 zeigen, daß über die Hälfte der Testierenden verfügen, es sollten
zum Heile ihrer Seele mehrere Wallfahrtsstätten aufgesucht werden, von einem
„ynnighen" [andächtigen, vertrauten] Mann oder mehreren „Pelgrimen". Die
Vertreter sollen beim hl. Enwolde, Enewolde, Eynwalde, Ewald 10 in Thann und
zusätzlich an folgenden heiligen Stätten 11 für das Seelenheil des Erblassers beten
(in Klammern die jeweilige Häufigkeit der Verfügung): Aachen (24), Einsiedeln
(17), Wilsnack (12), Santiago de Compostela (5), Rom (4), St. Josse/Pikardie (3),
Trier (2), Köln (1) und Jerusalem (1). Auf 56 zusätzliche Ziele im deutschen
Sprachraum kamen also 13 Wallfahrtsstätten im außerdeutschen Sprachgebiet.
Die Gebetsreise nach Thann wird mit 10 Mark, die nach Thann und Einsiedeln
mit 12 Mark in den Lübecker Testamenten dotiert. Ein Mann wie Henricus
vamme Zode dürfte 1415 für die Entsendung von Pilgern zum heiligen Grab nach
Jerusalem, zum hl. Theobald/Enwald, nach Aachen und nach Wilsnack beträchtliche
Summen aufgewendet haben. Es ist verständlich, daß er Wert legt auf
,,enen waraftigen beddernen [biederen, angesehenen] Man", der — wie seine Gefährten
— ,,myner Selen to Tröste de Reyse truweliken vullenbringen" solle.12

Unter den genannten zusätzlichen Zielen liegt einzig Wilsnack relativ nah zu
den vielen, in den Theobaldmirakeln genannten Orten an der Ostseeküste. Wenn
so viele ferne Ziele aufgesucht werden, könnte das einmal mit dem Mangel an
Wallfahrtsorten im Nord- und Ostseeraum zusammenhängen; es könnte auch damit
zu tun haben, daß sich viele Menschen für ihr Anliegen — Heil der Seele,
Befreiung aus Gefangenschaft, Rettung aus Kindsnöten — zu mehr verpflichtet
wußten als nur zu einem Nachmittagsspaziergang: Außergewöhnliche Hilfe bedingt
außergewöhnliche Formen der Danksagung. Selbstverständlich gab es daneben
auch den kurzen Bittgang zu einer Kapelle in der näheren Umgebung, zu
einem Altar, zu einem Bild in der nächsten Stadt — Testamente und Theobaldsmirakel
sprechen indessen nur von den großen Unternehmen.

Schließlich konnte für eine Wallfahrt nach Thann sprechen, daß sie zwar -
z. B. von Lübeck aus — recht weit war, doch betrug die Entfernung höchstens
ein Drittel der Strecke nach Santiago. Zudem verlief der Weg ganz durch deutsches
Sprachgebiet (wenn Thann auch schon im Grenzsaum zur Romania liegt)
und das Gebiet des Reiches. Zudem führt durch Thann einer der ältesten Verkehrswege
aus dem Mittelmeerraum über die Täler von Rhone und Saöne bzw.
Doubs in das Oberrheingebiet. So selbstverständlich wie die Pilger bei ihrer Ankunft
am Ziele von den ihnen widerfahrenen Wundern sprachen, so gewiß haben
sie — in die Heimat zurückgekehrt — über Wege und Fähren erzählt. Solche Be-

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