Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 465,da
Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
101.1982
Seite: 162
(PDF, 45 MB)
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  (z. B.: IV, 145, xii)



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helfen konnte, sollte der Heilige durch Fürsprache an Gottes Thron für den Bedrängten
bitten. So selbstverständlich wie man einem Arzt ein Honorar für seine
Bemühungen gab, so selbstverständlich sah man sich auch dem Heiligen gegenüber
zu einer Gegengabe verpflichtet. Die Mirakelberichte vermitteln damit einen
Einblick in ein Stück nicht-kirchengebundener Frömmigkeit aller Bevölkerungsschichten
des Spätmittelalters.

Im Flehen der meisten Gefangenen gehen Gebet, d. h. die Bitte um Befreiung,
und Gelübde, Versprechen einer Pilgerfahrt nach Thann, unmerklich ineinander
über. Bei Gelübden während schwerer Krankheit oder nach einem Unfall werden
bestimmte, offensichtlich bekannte Formen gewahrt: Die Mutter fällt auf die
Knie, die Anwesenden fallen auf die bloße Erde nieder, um den Nothelfer anzurufen
(Nr. 13, 14, 26). Weitere Gesten können die Ernsthaftigkeit der Bitte unterstreichen
: Ein Gelobender legt sich ,,crütz wisz mit den armen" auf die Erde
(Nr. 190); ein Vater geht ,,jn den garten vnder einen bovm", um dort Gott und
St. Theobald zugunsten des Kindes anzurufen (Nr. 145). In diesen Fällen wird der
unmittelbare Kontakt mit der lebenspendenden Erde, mit der heilkräftigen Natur
gesucht.

Als Rechtsakt bindet das Gelübde den Gelobenden. Es ist naheliegend, daß
Formen erwähnt werden, die von anderen Rechtsgeschäften her bekannt sind: Es
werden Bürgen gestellt (,,vnd gab darumb IX vnuersprochnen Mane zu bürgen,
dz Er die vart laisten vnd tun wolt"; Nr. 27) oder eigene Körperteile zum Pfand
gesetzt (z. B. das rechte Auge und die linke Hand; Nr. 117).

In den Berichten scheint ein hohes Maß an Solidarität und Zusammengehörigkeitsgefühl
auf, zunächst innerhalb der Familie — Ehegatten geloben füreinander
, Eltern zugunsten ihrer Kinder, Kinder für ihren Vater, ihre Mutter — ferner
im Kreis von Freunden oder Bürgern. Ist der Kranke bzw. Verwundete nicht
in der Lage, selber die Reise zu unternehmen, so gelobt oft ein naher Verwandter
die Pilgerfahrt ins Oberelsaß. Wenn der hl. Theobald auch nicht als rachsüchtig
geschildert wird, so konnten doch unangenehme Folgen mit der Nichteinlösung
eines Gelübdes verbunden sein: Eine Frau hatte ein Gelübde zugunsten einer Verwandten
abgelegt (Nr. 181). Als diese stirbt, meint die Schwägerin, von dem Gelübde
entbunden zu sein. Doch erscheint ihr die Verwandte wiederholt nachts
und fragt, warum sie das Gelübde nicht erfülle. Die Verstorbene läßt die Antwort
,,dwil sy gestorben were" nicht gelten, erklärt vielmehr, solange die Schwägerin
nicht ziehe, müsse sie — die Verstorbene — „grosse pin Ii den". Sie fordert die
Säumige zur Wallfahrt auf, ,,oder dir wurt ouch we gelangen". Mit dem Verschwinden
der Erscheinung überkommt die Schwägerin ein Armleiden, das sich
erst legt, als das Gelübde erfüllt ist. In einem anderen Fall stellt sich die Besessenheit
, die dank eines Gelübdes verschwunden war, wieder ein, bis das Versprechen
eingelöst ist (Nr. 5). Oder, als drittes Beispiel, der wahrscheinlich häufige,
hier jedoch nur einmal erwähnte Fall der Nichteinhaltung einer testamentarischen
Verfügung: Nach dem Tod des Johan Vont aus Nienkercken im Bistum Bremen
nehmen die Erben das Vermögen des Verstorbenen an sich, weigern sich aber, die
damit verbundene Verpflichtung einer Wallfahrt in das 220 Meilen entfernte
Thann zu übernehmen. Daraufhin macht ein Gespenst das Haus unsicher mit

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