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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
101.1982
Seite: 313
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1982/0315
Das Freiburger Münster als Jugendstilform

Das Grabmal Toporski von Hermann Obrist in Freiburg

Von

Harald Siebenmorgen

In der Bildhauerei und der Architekturplastik der Jahrhundertwende gilt das
Werk kaum eines Künstlers als so vorbehaltlos geschieden von aller Tradition,
entfernt von historischer Reminiszenz und auf die Stilfindung für eine künftige
Avantgarde hin orientiert wie das von Hermann Obrist (1862—1927). Werner
Haftmann sah in ihm und seinen um 1900 entstandenen Skulpturen einen der
Bahnbrecher der abstrakten Skulptur,1 Werner Hof mann verglich sie mit den Gebilden
des Futuristen Boccioni,2 und Siegfried Wichmann faßte 1968, in der bislang
ausführlichsten Untersuchung über den Künstler, seine Beurteilung in folgender
Weise zusammen: ,,... Hermann Obrist entwickelt einen von der Tradition
und der Historie völlig unabhängigen Formkanon, der der modernen Kunstentwicklung
bedeutende Impulse gegeben hat".3 Wußte die Kunstgeschichte bei
anderen Protagonisten des Jugendstils, etwa im Falle der skulpturalen Architekturen
von Antonio Gaudi oder Hector Guimard, allein schon aus den jeweiligen
künstlerischen Anfängen den Prozeß der Umverschmelzung eines ursprünglich
historistischen Formvokabulars — der Gotik oder des Barocks — zu einer neuen
,,Stilform" nachzuvollziehen, so erscheint demgegenüber Obrists Werk wie unvermittelt
zu aller Tradition. Des Künstlers Verweis auf seine ab 1875 einsetzenden
, okkult erfahrenen Visionen, aus denen er seine Formphantasien bezogen
habe, erhielt dadurch gleichsam eine nachträgliche unwillkürliche Legitimation.

Wie sehr freilich die Berufung auf okkulte Erfahrungen, esoterische Spekulationen
und hermetisches Eingeweihtenwissen zu den — hinterfragbaren — Topoi
der Kunsttheorie des fin de siecle gehörten, ist durch Untersuchungen jüngster
Zeit deutlicher geworden.4 Bündnisse gab es dabei auch zwischen Naturwissenschaft
, die auch Obrist bezeichnenderweise ursprünglich studierte, und Okkultismus
— in der Münchener Künstlerszene waren dafür etwa Carl du Prel und
Gabriel von Max die wortführenden Repräsentanten.5 Ebenso wie Gabriel von
Max bezog sich auch Obrist, der 1894 seine Werkstatt von Florenz nach München
verlegt hatte, auf Erich Haeckel, dessen Schrift Kunstformen der Natur"
(1899) und die dort geschilderte Formenwelt einer ,primitiven Natur4 der Protozoen
, Radiolarien, Korallen, Schnecken und Muscheln (vgl. Abb. 5), Gerade in
dieser Berufung auf das unmittelbare Studium von Naturerscheinungen verstand
sich Obrist, vor allem in seiner programmatischen Schrift ,,Neue Möglichkeiten
in der bildenden Kunst" (1903), im Gegensatz zur Kunst des 19. Jahrhunderts
und im Bruch zu ihr.6 — In seinen privaten Aufzeichnungen, wie sie der schrift-

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