Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 465,da
Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
101.1982
Seite: 321
(PDF, 45 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1982/0323
Hans-Joachim Kunst wies jüngst darauf hin, daß um 1920 in der Architekturtheorie
des Expressionismus, wie auch in der gleichzeitigen kunstgeschichtlichen
Literatur, die Gotik-Interpretation in hohem Maße bestimmt war von Begriffen
wie der ,vegetabilisch-energetischen Natur', der vertikalen Bewegungskraft oder
der ,kristallinischen Konzentration'.17 Die Voraussetzungen für diese Sicht der
Gotik finden sich jedoch bereits — ebenso nach Kunst — in der Literatur und
Ästhetik der deutschen Romantik. Dort war dieses Verständnis freilich noch
wesentlich auf die Architektur bezogen. Insofern war der Begriff des Organischen
auch stets bei den engeren Theoretikern des neugotischen Bauens wie Pugin oder
Morris immer nahe mit dem des Konstruktiv-Statischen verbunden.18 Obrist entwickelte
aus diesem Glauben an die Pneumatisierung der toten Steinmaterie mittels
der lebendigen Natur, in Verzicht auf die menschliche Figur und in der Radikalisierung
einer traditionellen Interpretation gotischer Architektur, eine neue,
fruchtbar gewordene abstrakte Definition der gestalthaften Skulptur. Der Freiburger
Kunsthistoriker Kurt Bauch charakterisierte 1959 dieses neue Verständnis
von Skulptur, dem etwa Antonio Gaudis Auflösung der Architektur in skulp-
turale Formen beim etwa gleichzeitigen Bau der Sagrada Familia in Barcelona zur
Seite steht, in folgender Weise: „Was er (Obrist) nur ,Bewegung* nennt, ist ein
kreisend Wogendes, spritzend Aufbäumendes, eine Form an sich, wie sie in den
großen Ornamentstichen der Vergangenheit vorkommen konnte. Hier ist ein
Kunstwerk als solches gemeint. Kunst ist etwas anders geworden, ihre Rolle, ihre
Aufgabe neu verstanden4 *.19

ANMERKUNGEN

1 W. Haftmann, Malerei im 20. Jahrhundert. Eine Entwicklungsgeschichte, 51976, S. 173 f.

2 W. Hofmann, Von der Nachahmung zur Erfindung der Wirklichkeit. Die schöpferische Befreiung
der Kunst 1890 1917, 1970, S. 36, 45, 118.

3 Hermann Obrist, Wegbereiter der Moderne. Ausst. Katalog Stuck Villa München, bearb. v.
S. Wichmann, 1968, Vorwort. Vgl. dort auch die ältere Literatur.

4 F. W. Fischer, Geheimlehren und moderne Kunst. Zur hermetischen Kunstauffassung von Baude
laire bis Malewitsch, in: Fin de siecle, hrsg. v. Roger Bauer u. a. (Studien zur Philosophie und
Literatur des 19. Jahrhunderts Bd. 35) 1977, S. 344 377.

5 Vgl. etwa H. Ludwig, Piloty und seine Schule. Die okkulte Welt des Gabriel Max, in: Weltkunst,
49. Jg., 1979. S. 1676 f; Die Münchener Schule 1850 1914. Ausst. Katalog München 1979, pas
sim. Die Briefe Haeckels an v. Max im Städt. Reiß Museum Mannheim. Der Verf. bereitet zum
Thema eine Studie vor.

6 H. Obrist, Neue Möglichkeiten in der bildenden Kunst. Essays, 1903.

7 Für die großzügige Erlaubnis zur Einsichtnahme in den Obrist Nachlaß sei Herrn Prof. Dr. Sieg
fried Wichmann, dem Nachlaßbearbeiter, und der Direktion der Staatlichen Graphischen Samm
lung in München gedankt.

8 Obrist Nachlaß, München, Staatl. Graph. Sammlung.

9 Ehem. Hauptfriedhof Freiburg/Br., Feld 57 d, Reihe I Nr. 5 8, am 19. 12. 1911 auf 30 Jahre er
worben. Freundl. Auskünfte verdanke ich dem Friedhof und Bestattungsamt der Stadt Freiburg
(Herr Knauft) sowie Herrn Walter Vetter, Freiburg.

i° Vgl. Briefe und Berichte im Nachlaß, wie Anm. 8.

321


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1982/0323