Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 465,da
Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
103.1984
Seite: 99
(PDF, 32 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1984/0101
eher auf dem Berg liegt, umfaßt auch das Schloß, von dessen Wällen sehr hübsche
Aussichten; das geschmackvolle Schauspielhaus, eine Kirche. Der Weg nach
Nienburg führte uns über eine langweilige Gegend unweit der Saale. Nienburg
selbst ist ein elendes Städtchen mit wenigen guten Häusern und die Armut der
Einwohner sichtbar. Doch wird man nie angebettelt. Im Berneburgischen bemerkte
ich eine Tafel, wo den Bettlern Gefängnisstrafe, selbst Zuchthaus gedroht war.
Auch in Kalbe ist Armut deutlich. Wieviel muß erst zu Nienburg der Einsturz
der neuen Kettenbrücke vor 5A Jahren dem Wohlstand geschadet haben! Wir besahen
die noch stehende Hälfte, an welcher man die Dünne der Ketten noch sah
und nebenan noch eine große Inschrift über das Fahren darauf. Kalbe hat eine
lange Vorstadt, wiewohl es nur Hütten sind. Nachmittags kamen wir nach vielen
Beschwerden auf sehr überschwemmtem Wege in G n a d a u an, einer Stadt der
Brüdergemeinde. Sie ist klein, aber artig gebaut. Hinter den Häusern sind die Gärten
, vorn Bäume. Um die Stadt geht im Vierecke ein Lustgang, der auf einer Seite
zu einer Anlage führt, welche mir schon jetzt sehr wohlgefiel und im Sommer allerliebst
sein muß. Der Friedhof ist ganz einfach; auf jedem Grabe liegen Steine
mit den Namen der Gestorbenen und dem Todestage. Es befindet sich eine Laube
darauf, da man hier oft lustwandelt. Wir trafen einige Gruppen von Mädchen,
von jüngeren oder älteren Mannspersonen, welche sich heute des sehr angenehmen
Wetters erfreuten. Abends gingen wir in die Betstunde. Das Haus ist von außen
nur durch hohe Fenster mit Vorhängen und einem Glockentürmchen kenntlich.
Innen ist ein großer Saal, in der Abendstunde (um 7) durch wenige Lampen erleuchtet
. Man versammelte sich still. Ein junger Mann (Candidat Baum aus Berlin
, wie wir nachher erfuhren) kam mit 2 anderen aus einer besonderen Türe und
setzte sich hinter einen erleuchteten Tisch, der in der Mitte des Saales an der
Wand stand. An den 2 Seitenwänden sind Empornischen, in der Mitte 5 Reihen
Bänke, die aber kaum halb mit Jünglingen besetzt waren. Nun fing die Orgel
sanft an zu tönen; die Gemeinde sang einige vorgesprochene Strophen. Dann las
der Geistliche im Schreiben eines schon 72jährigen Predigers aus dem Badischen
(Hartmann) vor und eines Predigers auf einer Insel Estlands (Alexander von Senkenbusch
). Diese Briefe werden von Befreundeten der Brüdergemeinde an die
jährliche Predigerversammlung in Herrnhut geschickt und da solche herrlichen
Äußerungen allgemein gerne gehört werden, von eigenen Schreibern vielfach abgeschrieben
. Oberster dieser Schreiber ist Herr Candidat Baum unter dem Titel
,Schreiberkönig4. Durch die Buchhandlung in Gnadau werden diese Abschriften
versandt und in den Abendstunden vorgelesen. Als die Vorlesung zu Ende war,
stimmte der Geistliche einen Vers an, nach dessen Beendigung die Versammlung
still auseinanderging. Auch wir kehrten in das Wirtshaus zurück, wo wir uns unsere
Bemerkungen mitteilten. Der sanfte Gesang mit der Orgelbegleitung hat etwas
Feierliches; es wird auch dadurch das so oft beleidigende Schreien in Mißtönen
verhütet. Auch das Zusammenkommen des Abends, welches wohl eine Nachahmung
der apostolischen Sitte sein soll, möchte ich nicht ganz verwerfen, da die
Erfahrung mich schon belehrt hat, wie zu anderen Zeiten des Tages die Leute
noch weniger geneigt sind, die Kirche zu besuchen.
Des folgenden Tages besuchte uns früh der Wirt, bei welchem wir ufis über eini-

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