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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
103.1984
Seite: 100
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ges erkundigten. Er suchte bald das Gespräch auf den gestern vorgelesenen Brief
des russischen Predigers zu leiten und die Trefflichkeit desselben zu beweisen. Jener
Russe hatte nämlich seine Bekehrung darin geschildert, wie er, erst Student in
Heidelberg und Göttingen, sich aus Christus und dem Heil der Seele wenig gemacht
, ja einst mit Vergnügen die Behauptung hörte, ein Vernünftiger dürfe nicht
an Gott glauben; wie er dann in russische Dienste getreten, da aber plötzlich
durch einige erweckte Freunde auf andere Gedanken gebracht worden und endlich
Gott im Gebet angerufen habe, seine Dienste als eines evangelischen Predigers anzunehmen
. Und es mußte wohl so sein, wiewohl er von der Theologie nur sehr wenige
Kenntnis, selbst Mangel an gelehrter Bildung hatte. Er wurde Prediger, gab
den irdischen Glanz und eine Braut willig auf, denn er hatte einsehen gelernt, daß
Frömmigkeit und Redlichkeit nicht hinreichen zur Seeligkeit. So arbeitete er seitdem
im Weinberge Gottes, welcher auch gnädig — ,oh unaussprechlich und gnädig4
— ihn unterstützte. Dem Manne scheint es von jeher an einer vernünftigen
Einsicht in das Wesen des Menschen und das, was ihm Not tut, gefehlt zu haben,
und die Richtung seines Denkens, welcher er auf den Hochschulen folgte, war
durchaus nicht Vernunftgläubigkeit sondern der Leichtsinn des Unbedachten, der
am Niederen haftet und das Höhere, weil es ihm zu denken oder zu erstreben
schwer daucht, mit abergläubischen Geheimnissen in eine Klasse wirft und verdammt
. Nur, wer nie an etwas Höheres mit fester Überzeugung glaubte, kann später
des erwachten Gewissens Regungen durch Frömmelei und Mystik zu beschwichtigen
glauben. Vor dem Essen besahen wir in G r o ß s a 1 z a (3A Stunden
von Gnadau) das Gradirhaus von ungeheurem Umfange. Der übrige Teil des Salzwerks
ist in Schönebeck. Die Nachmittagsstunden verflossen uns sehr angenehm
, da wir, um das schöne Wetter zu genießen, den Lustgang um die Stadt viele
Male durch wandelten, indem wir uns mit Gesprächen über Christus, Erlösung und
Rechtgläubigkeit beschäftigten. Hierauf besahen wir die Buchhandlung der gesamten
Brüdergemeinde und kauften einige Werkchen, die uns abermals zu einer prüfenden
Unterredung Stoff gaben. Als wir schon wieder zu Hause saßen, kam der
Diener aus dem Buchladen, ein junger Mann, und brachte unter vielen Entschuldigungen
2 Silbergroschen, welche wir zu wenig herausbekommen hätten. Die guten
Leute scheinen an Verkaufen von Büchern nicht sehr gewöhnt zu sein, es liefen
wenigstens alle umher, als wir für weniges Geld Bücher gekauft hatten und wußten
sich kaum zu helfen. Nach dem Abendessen eilten wir in das Versammlungshaus
, wo diesmal nichts als Liederverse gesungen wurden, deren Inhalt sich besonders
auf Jesu Leiden bezog. Die Ausdrücke: Blut, Wunden, Opfer usw. kamen zu
häufig darin vor. Ein Vers fiel uns besonders auf:

O Opferlämmlein,

laß mich ein Bienlein sein;

im Safte Deiner Wunden

hab ich mein Heil gefunden

zur Speise und zur Nahrung,

zur stundlichen Bewahrung.
Wir fanden, daß zuviel mit Gefühlen darin geprahlt worden sei und die morgenländischen
Bilder auf ungebührliche Art angebracht würden. Als wir nachts daran

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