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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
103.1984
Seite: 124
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seitens des Ministeriums oder der Partei geplant waren — vom Fall des Ordinarius
für Moraltheologie, Franz Keller, abgesehen56, der wegen seiner pazifistischen
Grundeinstellung als national unzuverlässig galt. In jener Phase des Beginns verfuhr
, wenn man so will, der nationalsozialistische Staat nach dem geltenden Recht,
freilich nach dem neuen Recht — Willkürakte waren im Bereich des Beamtenrechts
eher die Ausnahme. Doch gibt diese eben zitierte Stelle aus ,,Tatsachen und Gedanken4
* Veranlassung, den Dingen auf den Grund zu gehen.

Am 11. Oktober 1933 wurde im Karlsruher Kultusministerium die folgende Aktennotiz
angefertigt: ,,Der Herr Hochschulreferent hat anläßlich seines Aufenthalts
in Freiburg am 29. September 1933 nach Unterrichtung durch den Rektor der Universität
Freiburg, Prof. Dr. Heidegger, angeordnet, daß seitens des Rektors Erhebungen
über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 4 des Gesetzes zur Wiederherstellung
des Berufsbeamtentums bezüglich Prof. Dr. Staudinger getätigt wurden
. " 57 Martin Heidegger hatte am 29. September 1933, als der Hochschulreferent
Prof. Fehrle in Freiburg weilte — in der Vorbereitung der Ernennung Heideggers
zum Führer-Rektor (1. 10. 33) — diesen über politisch belastendes Material gegen
Hermann Staudinger aus der Zeit des Weltkrieges und der ersten Nachkriegsjahre
unterrichtet — das Tun Heideggers könnte auch anders definiert werden. Fehrle
hatte noch am 30. 9. 1933 bei der Polizeidirektion Freiburg eine Anzeige gegen
Staudinger eingereicht ,,zur Wahrung der Frist" 58. ,,Das Verfahren ist demnach im
Lauf", heißt es im Karlsruher Aktenvermerk. Zugleich wurde der Freiburger Rektor
angewiesen, besagte Erhebungen einzustellen. Aufgrund dieser Anzeige übernahm
das Geheime Staatspolizeiamt Karlsruhe die Ermittlungen und teilte bereits
am 4. 10. 1933 dem Ministerium mit: „Um Verwechslungen vorzubeugen, gestatte
ich mir darauf hinzuweisen, daß für Prof. Staudinger in Freiburg der Deckname
,Sternheim* Verwendung findet." Heidegger indes, mit dem sich die Gestapo in
Verbindung gesetzt hatte, konnte gemäß diesem Schreiben vom 4. 10. 33 ,,keine
sachdienlichen Angaben" machen. Heidegger hatte keine präzisen Angaben machen
können, sondern nur umlaufende Gerüchte zum Anlaß der Anzeige genommen
. Die Aktion ,,Sternheim" lief jedoch reibungslos. Die Gestapo wurde fündig,
nicht nur beim Karlsruher Bezirksamt — Staudinger hatte bis 1912 an der TH
Karlsruhe gewirkt —, vor allem beim Auswärtigen Amt in Berlin. Drei umfangreiche
Aktenfaszikel wurden innerhalb der nächsten Monate zusammengetragen.

Der seit 1912 an der ETH Zürich als ordentlicher Professor tätige Chemiker hatte
1917 die Erwerbung der Schweizer Staatsangehörigkeit betrieben unter Beibehaltung
der deutschen (hessischen) Staatsangehörigkeit. Das deutsche Generalkonsulat
erteilte damals ein negatives Votum. Prof. Staudinger wurde seinerzeit verschiedenen
Verdächtigungen ausgesetzt, vor allem aber habe er niemals ein Hehl daraus
gemacht, daß er in scharfem Gegensatz zu der nationalen Strömung in Deutschland
stünde und habe wiederholt erklärt, daß er sein Vaterland niemals mit der Waffe
oder sonstiger Dienstleistung unterstützen werde — so berichtet der deutsche Generalkonsul
in Zürich im Mai 1919 nach Berlin, als Staudinger erneut den Status der
Doppelstaatsangehörigkeit anstrebte. Zwar müsse jetzt von verschiedenen Verdächtigungen
Abstand genommen werden, aber es bleibe die Tatsache bestehen, daß
,,Prof. Staudinger in Kriegszeiten eine Haltung eingenommen hat, die, zumal in

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