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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
103.1984
Seite: 125
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1984/0127
Anbetracht seiner Stellung als Hochschulprofessor, geeignet war, das Ansehen der
deutschen Sache im Auslande schwer zu schädigen/' Auch angesichts der inzwischen
erfolgten politischen Umwälzung in Deutschland müsse an dieser Bewertung
festgehalten werden. Aus den Akten wurde auch erhoben, daß er im Jahre 1917
sich für den Pazifisten Prof. Dr. Nicolai, der sich während des Krieges geweigert
hatte, den Fahneneid zu leisten, verwendet habe59. In Verbindung mit anderen
Vorwürfen hatte die Gestapo genügend Material zusammengetragen, so daß die
Karlsruher Leitstelle am 25. Januar 1934 dem Ministerium schreiben konnte: „Beifolgend
lege ich die vom Auswärtigen Amt übersandten Akten sowie die Staatsangehörigkeitsakten
vor. Ich nehme an, daß der Inhalt der diplomatischen Akten zur
Durchführung des Verfahrens ausreichen wird. Das Auswärtige Amt hat meinem
Ersuchen entsprechend mitgeteilt, daß von den mit der Bearbeitung der Sache seinerzeit
befaßten Beamten noch folgende am Leben sind" (es folgen dann die Namen
von 10 Beamten des Diplomatischen Dienstes). ,,Das Auswärtige Amt ist bereit
, dienstliche Äußerungen von diesen Beamten einzufordern, falls dies noch für
notwendig erachtet wird." Martin Heidegger wurde am 6. Februar 1934 vom Ministerium
unter Zusendung der Akten zu einer eilbedürftigen Stellungnahme aufgefordert
(,,in Hinblick darauf, daß eine etwaige Anwendung des § 4 des GWB bis
zum 31. März 1934 erfolgt sein muß, darf ich um beschleunigte Behandlung ersuchen
"). Der Freiburger Rektor beeilte sich und erstattete seinen Bericht am 10. Februar
1934 unter Zurücksendung der Unterlagen — einen vernichtenden Bericht,
mit dem Briefkopf des Akademischen Rektorats Freiburg, freilich ohne Tagebuch-
Nummer, wimmelnd von Tippfehlern, von ungeübter Hand auf der Schreibmaschine
geschrieben. Heidegger listete die Vorwürfe in vier Punkten auf und führte -
um ein Beispiel zu geben — unter Punkt 4 auf: ,,Im höchsten Maß belastende Aussagen
enthalten die Berichte des Generalkonsulates Zürich vom 12. Januar 1918
(Generalkonsul Fabre du Faur) und vom 15. Mai 1919 (Gesandter Plehn). Staudinger
hat danach ,niemals ein Hehl daraus gemacht, daß er in scharfem Gegensatz zu
der nationalen Strömung in Deutschland stünde und hat wiederholt erklärt, daß er
sein Vaterland niemals mit der Waffe oder sonstiger Dienstleistung unterstützen
werde.' Bezeichnenderweise beschreibt der nachherige marxistische Gesandte Adolf
Müller den Staudinger als Idealisten!"

Und Heideggers abschließendes Urteil — Verurteilung! — möge für sich sprechen
: „Diese Tatsachen erfordern schon aus sich die Anwendung des § 4 des Gesetzes
zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums. Da sie seit den Erörterungen
über die Berufung Staudingers nach Freiburg 1925/26 weiten deutschen Kreisen bekannt
geblieben sind60, verlangt auch das Ansehen der Universität Freiburg ein
Einschreiten, zumal sich Staudinger heute als einhundertzehnprozentiger Freund
der nationalen Erhebung ausgibt. Es dürfte eher Entlassung als Pensionierung in
Frage kommen. Heil Hitler! Heidegger." Was dann folgte, war die interne Demütigung
des weltbekannten Chemikers, des Mitglieds zahlreicher deutscher und ausländischer
wissenschaftlicher Gesellschaften — eine Demütigung, die ich nur in
Stichworten skizziere. Am 17. Februar 1934 wurde Staudinger, der nie erfahren
hat, daß sein ,,Fall" Heideggers Initiative zu verdanken war, nach Karlsruhe zur
Vernehmung einbestellt, mit den Anschuldigungen konfrontiert und in eine unvor-

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