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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
103.1984
Seite: 142
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1984/0144
Baden. Nachdem er dreiviertel Jahre lang Direktor gewesen war, wurde er ins Ministerium berufen, so
daß der Direktorposten für ihn von vornherein nur das Sprungbrett ins Ministerium war, wo er dann
sofort einen der einflußreichsten Posten erhielt. Eine solche Beförderung in Zeiten größter Zentrums
macht beweist seine eindeutige Zentrumsanhängerschaft. Wenn es auch innerhalb des Zentrums, wie
Sie sagten, verschiedene Richtungen gegeben hat, in allen entscheidenden Fragen der Macht und Gesin
nung sind sie stets einig gewesen.

Herr Wohleb ist in seinem Äußeren und in seinem Gehaben sehr stark jüdisch. Ich selbst bin bei dem
ersten Zusammentreffen mit ihm davon betroffen gewesen. Dieser Eindruck wurde mir von allen, die
ihn kennen, auch von mehreren führenden Parteigenossen, die heute im Kultusministerium sind, bestä
tigt. Wenn durch den Stammbaum des Genannten dies auch nicht zu beweisen ist, so wissen Sie ja
auch, daß es in Deutschland leider sehr viel Judenblut gibt, das stammbaummäßig nicht nachgewiesen
werden kann, sich aber deshalb nicht weniger sicher erkennen läßt. Ich verstehe, daß dieses jüdische
Wesen Widerwillen erregen muß. Das ist doch wohl nur im Sinne des Nationalsozialismus. Dieser Wi
derwille und diese Anschauung, daß Wohleb ein Jude sei, besteht hier in Donaueschingen in weiten
Kreisen, im Kollegium und in der Bürgerschaft. Diejenigen Kreise, die ihm heute noch sympathisch ge
genüberstehen, sind gerade die ehemaligen Zentrumsanhänger und eine gewisse Clique von demokrati
schem Bürgertum, das er zu umschmeicheln verstand.

Damit komme ich zum Ausgangspunkt zurück. Angesichts der schwierigen Verhältnisse hier oben
muß die Wirkung der Versetzung des Herrn Wohleb auf den hiesigen Direktorposten eine sehr ungün
stige sein. Wir haben hier, wie gesagt, einen schweren Stand gegen die schwarze Führung fast aller Äm
ter (wie Reichspost, Reichsbahn, Landwirtschaftsschule, Handelsschule, Notariat, Vermessungsamt,
Finanzamt, Bezirksbauamt, Eichamt, Amtsgericht, Zollamt, Wasser und Straßenbauamt). Die stille
Opposition dieser Kreise wird durch diese Maßnahme ermutigt werden.

Erschwert wird diese Angelegenheit noch dadurch, daß gewisse Kreise, scheinbar in erster Linie Zen
trumskreise, enge Fäden nach Karlsruhe haben. (. . .) Der Nachrichtendienst der früheren Zentrumspartei
arbeitet so vorbildlich, daß man öfters wie vor einem Rätsel steht. Auch sollen diese Kreise noch
ständige Zusammenkünfte haben. Am Tag nach meiner Rückkehr aus Karlsruhe, also am 21. ds. Mts.,
wurde hier von mehreren Seiten das Gerücht verbreitet, daß Herr Wohleb seine Stellung im Ministeri
um verlieren werde. U.a. hat ein Professor des Gymnasiums, früherer Zentrumsmann, dies Gerücht
verbreitet mit dem Bemerken, er habe es aus ganz sicherer Quelle. Ferner wird von einem Telefonge
spräch berichtet zwischen Herrn Wohleb und Reichsstatthalter Wagner, auf Grund dessen er abgebaut
werde. Wir forschen der Quelle dieser Gerüchte nach, die auf unsichtbare Fäden nach Karlsruhe hin
weisen. Die geplante Ernennung Wohlebs ist noch nicht bekannt, sondern man ist noch der verständli
chen Ansicht, Wohleb sei als Zentrumsmann kaltgestellt. Eine Rückkehr Wohlebs auf den Posten, den
er einst als Zentrumsmann inne hatte, muß angesichts der Unbelehrbarkeit dieser Kreise einen überaus
ungünstigen Eindruck machen und unsere Stellung erschweren, was doch gewiß nicht Absicht des Mini
steriums ist. Auch wenn er versprochen hat, seine alten Verbindungen aufzugeben, ist das nach unserer
Meinung an einem so kleinen Platz unmöglich. Im übrigen erblicke ich gerade in diesem Versprechen
einen Mangel an Charakter.

Das völlig passive Verhalten von Direktor Schlageter und umlaufende Gerüchte ließen in hiesigen
Kreisen die Hoffnung aufkommen, daß ein nat. soz. Direktor nach Donaueschingen kommen würde.
Eine solche Maßnahme wäre von uns freudig begrüßt worden. Auch wenn Herr Wohleb sich lOOpro
zentig na. soz. gebärdet, wird es ihm wie Herrn Dollfuß52 gehen; man wird es ihm nicht glauben.

Angesichts dieser Stimmung in nat. soz. Kreisen wird die Ernennung des Herrn Wohleb wie ein
Schlag wirken. Unser Pg. C. hat sich, trotz der Gefahr, mißverstanden zu werden, eingesetzt. Er emp
findet diese Absicht des Ministeriums als eine Art von Preisgabe und Mißtrauenserklärung, umsomehr
als Herr Wohleb über sein Vorgehen gegen Schlageter Bescheid weiß.

Pg. C. war am 20. 2. nur auf meinen besonderen Wunsch mit mir ins Ministerium gegangen, um mir
für evtl. nötige Auskunft zur Verfügung zu stehen. Er fühlte sich besonders verletzt durch die von Ih
nen in meiner Gegenwart ausgesprochene Drohung, nichts gegen Wohleb zu unternehmen. Aus dieser
Drohung glaubte er die Meinung entnehmen zu können, als sei er ein unbotmäßiger Stänkerer oder gar
Streber, der in seine Schranken gewiesen werden müßte. Sie wissen selbst, wo wir wären und wohin wir
heute kämen, wenn wir Nationalsozialisten nicht mehr wagten, dort unsere Stimme zu erheben und uns
einzusetzen, wo wir es für nötig erkennen und Sie müssen auch zugeben, daß wir das Recht und die

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