Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 465,da
Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
103.1984
Seite: 176
(PDF, 32 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1984/0178
„Der Zweck des dahier errichteten Leichenhauses ist:

a. möglichst vollkommene Sicherstellung vor der Gefahr, lebendig begraben zu
werden;

b. ein anständiges Lokale darzubieten, um aus beengten Wohnungen hiesiger Einwohner
Leichen entfernen zu können. "31

Es war den Familien des jeweiligen Toten freigestellt, ob sie ihn in das Leichenhaus
überführen lassen wollten oder nicht. Ausnahmen galten für fremde Tote,
wenn die Bewohner des Sterbehauses die Entfernung der Leiche verlangten oder
wenn „sanitätspolizeiliche Gründe" vorlagen, also vermutlich eine ansteckende
Krankheit des Verstorbenen.32

Die Freiwilligkeit der Benutzung des Leichenhauses dauerte nicht allzu lange.
Bald bewogen hygienische Bedenken, die nun die Angst vor dem Scheintod ablösten
, den Gemeinderat dazu, das Leichenhaus als für verbindlich zu erklären. Am
14. Dezember 1875 schrieb das Großherzogliche Bezirksamt Freiburg an den Stadtrat
, daß nun die freiwillige Benützung des Leichenhauses (vorgesehen in der Leichenordnung
von 1872) mit der Eröffnung des neuen Friedhofs für alle verbindlich
werden sollte. Die Gefahren, „.. . die mit dem Verbleib von Leichen in bewohnten
Häusern verbunden sein können .. seien allzu groß33.

Die Kommission für öffentliche Gesundheitspflege aber war, wie einem Sitzungsbeschluß
des Stadtrats zu entnehmen ist, mit diesem Entschluß nicht ganz einverstanden
:

„Letztere hat übrigens den Wunsch ausgesprochen, es möge gestattet werden, daß
in besonderen Fällen mit Gutheißung der Polizeibehörde eine Leiche bis zur Beerdigung
im Sterbehause aufbewahrt werden dürfe.f( 34

Die auffallende Zurückhaltung der Gesundheitsbehörde wird darauf zurückzuführen
sein, daß die Leichenhalle bei der Bevölkerung nicht sehr beliebt war: Man
bahrte die Toten noch lieber zu Hause auf, an ihrem Sterbeort. Auch war die Leichenhalle
erst knapp 30 Jahre in Betrieb und vermutlich immer noch relativ ungewohnt
. Das wird durch einen Briefwechsel im Jahre 1869 deutlich. Vordergründig
ging es dabei um einen Selbstmörder, dessen Leiche auf Antrag seiner Familie (die
zu Hause nicht genügend Platz hatte) in die Leichenhalle gebracht werden sollte.
Der Leichenhausaufseher aber teilte dem zuständigen Polizei-Commissair mit, es
sei ihm aufs Strengste untersagt, Leichen von Selbstmördern aufzunehmen. (Das
wirft gleichzeitig ein bezeichnendes Licht auf die Einstellung in Freiburg gegenüber
Selbstmördern, die uns heute ja sehr unbarmherzig vorkommt. Der Selbstmord galt
eben als Frevel und Verbrechen gegen Gott, der Selbstmörder dementsprechend als
Verdammter, dem die kirchliche Beerdigung verweigert werden mußte35. Laut
einem Erlaß des Badischen Innenministeriums von 1829 mußten Selbstmörder in
die anatomische Anstalt gebracht werden).36

Da ein derartiges Verbot in der Leichenordnung nicht enthalten war, fragte der
Commissair, was zu tun sei.37 Der Gemeinderat antwortete dem Bezirksamt: Die
Verbringung von Leichen von Selbstmördern ins Leichenhaus gäbe wohl Schwierigkeiten
, da es

„bei den hiesigen Einwohnern in vielen Fällen nicht ohne Anstand bleiben würde,

176


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1984/0178