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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
103.1984
Seite: 177
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1984/0179
da immer noch viele Vorurtheile gegen das Leichenhaus bestehen, denen wir einigermaßen
Rechnung tragen müßen, um sie allmählich zu überwinden. "38

Da das Bezirksamt aber anderer Meinung war und meinte, Zeit und Umstände
gestatteten es nicht, in solchen Fällen auf das Leichenhaus zu verzichten,39 gab es
noch einige Briefe hin und her. In einem Beschluß des Gemeinderats heißt es dann:
„Gegen den Gebrauch des Leichenhauses gibt es noch immer viele Vorurtheile, und
wir würden sehr übel daran thun, wollten wir jetzt, nachdem die Abneigung doch
allmählich schwindet, einen Gegner schaffen, und es würde dieß unzweifelhaft der
Fall sein, wenn jede beliebige Leiche von Selbstmördern oder weiterer nun auf einmal
dahin verbracht würde. "40

Dieser Konflikt wurde hier deshalb so ausführlich dargestellt, weil er sehr gut die
Diskrepanz zwischen einer „aufgeklärten" Behörde zeigt, die ihre Vorstellungen
gegen eine „rückständige" Bevölkerung durchsetzen will und muß, und den Frei-
burgern, die wohl erst allmählich von der alten Gewohnheit, die Verstorbenen im
Hause aufzubahren, ablassen mochten und dazu sicher eher durch kleine Wohnungen
und Mangel an Platz getrieben wurden als durch die Angst vor dem Scheintod
und hygienische Vorstellungen. Leider erfährt man jedoch nicht, welche Vorurteile
im einzelnen gegen die Leichenhalle bestanden.

In der Leichenordnung von 1886 ist nichts mehr von einer Angst vor dem Scheintod
zu finden. Entsprechend den Vorstellungen des Briefwechsels von 1876 wird
das Leichenhaus nur noch aus hygienischen Gründen für unbedingt notwendig gehalten
. Wie oben gesehen, war es vorgeschrieben, alle Leichen ins Leichenhaus zu
bringen;41 Ausnahmen gab es nur in ganz seltenen Fällen42, die leider nicht näher
benannt werden. Die Einwände der Gesundheitskommission hatten also genützt.
1886 scheinen auch die Vorbehalte in der Bevölkerung gegen die Leichenhalle geschwunden
zu sein und diese völlig akzeptiert. Zumindest tauchen in den entsprechenden
Akten des Stadtarchivs keine Beschwerden, Anfragen o. ä. betreffs des
Leichenhauses mehr auf.

Durch die behördlichen Vorschriften im Verlauf mehrerer Jahrzehnte ist also ein
Wandel im tradierten Verhaltensmuster, den Toten im Haus feierlich aufzubahren,
eingetreten. Einen noch bedeutsameren Wandel im Bereich des „Leichenbegängnisses
" wird der Streit um den Leichenwagen zeigen.

V

„Der Tod macht alle gleich" — das ist die Botschaft aller Memento-Mori-Darstel-
lungen durch die Jahrhunderte; die Wirklichkeit aber sah immer anders aus. Tatsächlich
wurden wohl nirgendwo Rangunterschiede so offen betont wie bei Begräbnissen
.

Diesem Verhalten wurde von den verschiedenen Leichenordnungen Rechnung getragen
. Sie teilten die Begräbnisse in vier Klassen ein, die abgestufte Preise (Taxen)
und Leistungen boten. In der Leichenordnung von 1822 werden diese Einteilungen
zum ersten Mal vorgenommen und auch begründet:

„ Theils um unnöthige Kosten zu ersparen, theils der Willkür im Ansatz der Gebühren
vorzubeugen, werden künftig nur die unten folgenden vier Klassen der Beerdigungen
mit den dort bestimmten Gebühren bestattet. "43

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