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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
103.1984
Seite: 180
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1984/0182
„ Wir wollen glauben, daß es den Freiburgern dabei mehr um den Liebesdienst als
um die neuen Kosten zu tun war. "53

Aber die Zünfte verstanden sich auch nicht nur als Wirtschafts-, sondern vor
allem als Lebensgemeinschaft, die sich in der Sorge der Lebenden für ein verstorbenes
Zunftmitglied manifestierte: Das gegenseitige Zugrabetragen war selbstverständliche
Pflicht — die aber auch der sozialen Kontrolle unterlag und dank ihr
funktionierte 54 — überliefert seit dem Bestehen der Zünfte55, gehörte das „die
Toten begraben" doch auch zu einem der sieben Werke der Barmherzigkeit. Insofern
offenbart dieser Konflikt eine tiefgreifende Differenz der Lebensauffassungen,
die in ähnlicher Form ja später auch beim Leichenhaus auftritt: Auf der einen Seite
die vom Liberalismus geprägte Behörde, ganz der neuen Zeit verhaftet, praktisch
denkend — auf der anderen Seite die Zünfte, deren Denken im Mittelalter wurzelt:
Die Briefe stammen aus demselben Jahr, und doch scheint mehr als ein Jahrhundert
zwischen ihnen zu liegen.

Noch einige Zeit später konnten sich nicht alle Zunftmitglieder mit dem Leichenwagen
abfinden: Die Rebzunft z. B. überging das Gebot der obligatorischen Benutzung
des Leichenwagens und trug einen der ihren auf die alte Weise zu Grabe. Darauf
wurde die ganze Zunft und insbesondere die Träger hart bestraft. Erst nach der
Abdankung des Zunftmeisters und auf Vorstellungen beim Stadtdirektor v. Chris-
mar wurden die Strafen auf je 12 Stunden Arrest bei Wasser und Brot ermäßigt56.

Auch der Zucker- und Pastetenbäcker Sebastian Lang zog das Zugrabetragen
dem Leichenwagen vor. Er richtete daher 1827 eine Bittschrift an das Großherzogliche
Badische Direktorium, in der er darum bat, nach seinem Tode nicht vom Leichenwagen
„hinausgeführt" zu werden, sondern von seinen „zünftigen Mitbrüdern
hinausgetragen zu werden" 57.

Dem Adreßkalender von 1827 kann man entnehmen, daß Sebastian Lang Senior
das älteste Mitglied der Bäckerzunft war — er hatte sicherlich ein ehrenvolles Begräbnis
zu erwarten. Es ist nicht verwunderlich, daß diese Bitte abschlägig beschieden
wurde, da eine Ausnahme — auch für einen noch so verdienten Bürger — nicht
möglich sei58.

Es war also ungeschriebene Vorschrift, daß jeder Tote von Angehörigen seines
Berufs- oder Lebensstandes zu Grabe getragen oder begleitet wurde. Das galt
natürlich nicht nur für die Zünfte; vor der Aufhebung der Bruderschaften durch
Joseph II. hatte es besonders für deren Mitglieder gegolten, wie Heinrich Schreiber
berichtet59.

Es galt auch für Mitglieder der Universität, ob Studenten oder Professoren: So
schildert Ignaz Speckle 1814, wie ein verstorbener Jurastudent, ein ehemaliger Novize
von St. Peter, von Studenten zu Grabe begleitet wurde. Diejenigen Akademiker
, die in St. Peter studiert hatten, trugen den Toten60.

Auch der in Freiburg außerordentlich beliebte Dichter Johann Georg Jacobi, der
der erste evangelische Professor der Universität gewesen war, wurde von Studenten
zu Grabe getragen61.

Einen Höhepunkt an Beerdigungsfeierlichkeit im 19. Jahrhundert aber brachte
sicher das Begräbnis von Professor v. Rotteck im Jahre 1840. Darüber berichtet die
Freiburger Zeitung auf ihrer ersten Seite:

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