Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 465,da
Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
104.1985
Seite: 157
(PDF, 41 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1985/0159
verstorbenen Reichspräsidenten Hindenburg13, der 1926 im Deutschen Reich den
Muttertag eingeführt hatte, wurde am 6. Oktober 1939 in Singen abgestempelt. Eingangsstempel
des Bürgermeisteramtes Teningen 7. Oktober. Die Post arbeitete mit
einer Geschwindigkeit, die auch heute noch nicht selbstverständlich ist; dabei stand
Deutschland seit dem 1. September wieder einmal im Krieg. In einem „Blitzfeldzug"
war Polen niedergeworfen und zwischen dem Reich und der UdSSR aufgeteilt worden
; seit dem 3. September herrschte Kriegszustand mit England und Frankreich,
die ihre Garantieerklärung für Polen honorierten. Obwohl Teningen nur gut zwanzig
Kilometer von der französischen Grenze entfernt liegt, konnte man hier den
Eindruck haben, weiter im Frieden zu leben, sprach man doch jenseits der Grenze
von der „dröle de guerre", dem komischen Krieg. Daß mittlerweile in dem eroberten
Polen schwerste Judenverfolgungen und ein Programm zur Versklavung der
Slawen angelaufen waren, wußte vielleicht der eine oder andere Teninger, der als
Mitglied von Wehrmacht, Sicherheitsdienst oder SS dort Dienst tat.

Frauen mit zweierlei Maß gemessen

Anläßlich der Stiftung des Mutterkreuzes hatte der Reichsärzteführer festgestellt:
„Die deutsche kinderreiche Mutter soll den gleichen Ehrenplatz ... erhalten wie
der Frontsoldat, denn ihr Einsatz von Leib und Leben ... war der gleiche wie der
des Frontsoldaten im Donner der Schlachten." In der „Fruchtbarkeit vieler Jahrgänge
von Millionen Frauen" sahen die Nationalsozialisten das „wichtigste Kapital
", wie es in einer Denkschrift über die „Sicherung der Zukunft des deutschen
Volkes" hieß.14 Es war nur konsequent, wenn die Presse zum fünften Jahrestag der
Stiftung dieses Ordens das begeisterte Dankesschreiben einer Frau für die Verleihung
des goldenen Mutterkreuzes veröffentlichte: „Geliebter Führer! ... meine
Freude darüber ist so groß, daß ich sie in Worten nicht genug auszusprechen vermag
. Darum wünsche ich, daß die junge Generation sich ein Beispiel an den kinderreichen
Müttern nehmen möge. Dann wird auch unser Großdeutsches Reich groß
und stark bleiben ...". Nach Meinung des Zeitungsschreibers haben die fünf Millionen
Trägerinnen des „Mutter-EK" — die Analogie zum Eisernen Kreuz der Soldaten
wird durch diese Ausdrucksweise betont — „sich um die Voraussetzungen
des Sieges ebenso verdient gemacht wie ihre Gatten und Söhne, die sich mit der
Waffe in der Hand das soldatische EK. erwarben".15 Für die Frauen in den von
deutschen Truppen besetzten Gebieten Osteuropas — sie wurden aufgrund der NS-
Ideologie in ihrer Mehrzahl zu Angehörigen minderwertiger Rassen erklärt — stellten
die Nationalsozialisten andere Forderungen auf: „Durch Propagandamaßnahmen
... muß der Bevölkerung immer wieder der Gedanke eingeredet werden, wie
schädlich es ist, sich viele Kinder anzuschaffen ... Die Säuglingssterblichkeit darf
nicht bekämpft werden ... Kinderzulagen wie überhaupt alle Maßnahmen, die
Kinderreiche bevorzugen, müssen vermieden werden."16

Verlogenheit und brutale Konsequenz nationalsozialistischer Politik waren vielen
Deutschen bekannt. Auf die widersprüchliche NS-Bevölkerungspolitik — hier Bekämpfung
von Kindbettfieber, Säuglingssterblichkeit, Ehrung der deutschen Mutter
; dort Diskriminierung, Verelendung, Ausrottung — sei hier deshalb hingewie-

157


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1985/0159