Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 465,da
Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
104.1985
Seite: 158
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sen, weil trotz Öffentlichkeitsarbeit und wissenschaftlicher Erforschung des „Dritten
Reiches" viele Deutsche die Barbarei der NS-Politik lange Zeit nicht haben
wahrhaben wollen. Den deutschen Müttern ging es während des Krieges auch deshalb
relativ gut, weil die besetzten Gebiete systematisch ausgeplündert wurden; oft
blieb den Bewohnern nicht das Lebensnotwendige, so daß sie — zu allererst die
Kinder — Opfer von Hunger und Seuchen wurden.

Die in Teningen geehrten Mütter wußten im allgemeinen von diesen Greueln
während des Krieges nichts. Guten Gewissens haben sie die Auszeichnung entgegengenommen
, 1943 z. B. wurden zwanzig Mütter geehrt, eine wurde von 3 auf 1,
sieben von 3 auf 2 „umgestuft". 1944 wurden drei weitere Mutterkreuze verliehen.
1945 wurden mit Schreiben vom 13. Februar vier Mütter für „Stufe 3" vorgeschlagen
. Zu einer Verleihung dürfte es nicht mehr gekommen sein: Am 8. Mai hatten
die deutschen Streitkräfte bedingungslos kapituliert; zur Zeit des Muttertages war
Teningen von französischen Truppen besetzt.

Gewohnheit oder Nonkonformismus?

Längst ist bekannt, daß man der vielschichtigen Wirklichkeit in Deutschland 1933
bis 1945 mit der Grobeinteilung der Deutschen in „Nazi" und „Frau/Mann des
Widerstandes" nicht gerecht wird. Wenn Frau M. sich in ihrem Dankschreiben der
Wendung „mit deutschem Gruß" bediente, konnte es sich um eine Bekundung des
Nonkonformismus handeln; denn der Deutsche sollte nicht „mit deutschem Gruß"
schließen — diese Wendung behielt sich „der Führer" vor — sondern mit „Heil
Hitler!" Rückblickend ist oft nicht auszumachen, was Gewohnheit war, Nachlässigkeit
oder Ausdruck innerer Ablehnung; diese konnte in Widerstand einmünden.
Wenn in Teningen nach Ausweis der Akten die Frau des Gustav S., die des Karl S.,
die des Friedrich E., die des Adolf V. auf die Verleihung des Mutterkreuzes „verzichteten
", dann konnte es sich hier durchaus um Bekundungen des Protestes handeln
, die zu Protokoll gegeben werden mußten und deshalb Mut verlangten: Eine
vom „Führer" verliehene Ehrung wurde ostentativ ausgeschlagen. Möglicherweise
bekundete auf diese Weise manche Frau ihre Distanz zum „neuen Reich", vielleicht
waren unter ihnen Angehörige der 1933 verbotenen Linksparteien.

Rückgang der Geburtenrate

Bei genauer Betrachtung geben die Mutterkreuzakten vielfältigen Einblick in die
Sozialgeschichte Teningens. In wenigen Jahrzehnten geht die Kinderzahl pro Ehe
erheblich zurück. Für Fig. 1 wurden die für die Ehrung vorgeschlagenen Frauen
(also nur Mütter mit vier und mehr Kindern!) nach ihrem Geburtsjahr geordnet;
für je fünf Geburtsjahrgänge wurden die durchschnittliche Kinderzahl berechnet
und die jeweils größte Kinderzahl vermerkt. Zwar dürften sich die Werte für die
nach 1900 geborenen Frauen durch Geburten nach 1939 noch etwas erhöhen, doch
ist der Befund eindeutig: Die Kinderzahl pro Ehe sinkt erheblich; diese Entwicklung
konnte auch durch die NS-Bevölkerungspolitik nicht umgekehrt werden. Das
starke Schwanken in den ersten Jahrzehnten des Beobachtungszeitraumes verdient

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