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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1986/0332
Politik den Nationalsozialismus mit dem Bolschewismus verglichen. Die „verhängnisvolle
Fehleinschätzung der Person Hitlers" führte nicht nur dazu, daß er dem NS-Staat die ihm nach
der katholischen Lehre als obrigkeitliche Gewalt zukommende Anerkennung zusprach (Römer
13, 1), sondern daß er sogar so weit ging, sein Vertrauen zu Hitler als „unerschütterlich" zu
bezeichnen. Konsequent lehnte Gröber dann auch im April 1933 den Liberalismus und konstitutionellen
Staat entschieden ab und erklärte die republikanische und parlamentarische Staatsform
als „überholt", um gleichzeitig das autoritäre NS-Regime zu begrüßen. Auch in mehreren
öffentlichen Auftritten wird diese mangelnde Distanz und Verklärtheit gegenüber den
Nazis deutlich. So begrüßte er den angeblich „neuen Sinn für Sauberkeit und Ehre" — und
tat dies sogar angesichts der vom Autor erwähnten kurz zuvor geschehenen Terrormaßnahmen
der Nazi-Partei.

Nach Schwalbach hat Gröber diese Fehleinschätzung des Nationalsozialismus möglicherweise
von Ludwig Kaas übernommen, mit dem er befreundet war. Auffallend ist aber, daß
Gröber sich auch mit seinen vorschnellen Entscheidungen für die „Arbeitsgemeinschaft
katholischer Deutscher (AKD)" und in der Auflösungsfrage der katholischen Jugendorganisationen
im deutschen Episkopat isolierte. Als der Verband dann schließlich am 22. Juli 1937
durch Erlaß des Innenministers aufgelöst wurde, war Gröber nach einer schwankenden Haltung
in den Jahren 1935/36 bereits zum Gegner des Nationalsozialismus geworden, der seinen
Irrtum, sich mit dem Regime verständigen zu können, einsah. Die Gegnerschaft zur NS-Füh-
rung wurde durch den im Reichskonkordat festgelegten Handlungsspielraum bestimmt. Es
fallt schwer, dem Verfasser bei der Ansicht zu folgen, Gröber habe der NS-Führung mit dem
Konkordat „defensiv begegnen" (S. 80) wollen, obwohl er doch wußte, daß sich die NS-Regie-
rung nicht an die Abmachungen halten würde.

Nach wie vor ist es besonders schwierig, eine befriedigende Erklärung für Gröbers Entschluß
zu finden, förderndes Mitglied der SS zu werden. „Eine Notwendigkeit für diesen
Schritt gab es nicht", wie Schwalbach konstatiert (S. 86). Es bleibt ferner unerklärlich, wieso
Gröber nicht die Chance nutzte, als er 1937 von der SS-Führung zum Austritt aufgefordert
wurde, mit deutlichen Worten gegen die antichristliche Politik der Parteiführung seinen Austritt
zu verkünden. Hat Gröber hier die Chance ungenutzt verstreichen lassen, oder war ihm
die Sache bereits peinlich, so daß er seine bisherige Mitgliedschaft nicht publik machen
wollte? Zumindest hatte er keinen Anlaß, in Erklärungen nach 1945 „vom hohen Roß herab"
zu verkünden, entsprechende Vorwürfe und besorgte Anfrage ließen ihn „als Geschwätz kalt"
(S. 87).

Beeindruckend ist Gröbers klare Haltung zur Euthanasie und Judenfrage sowie bei der Inschutznahme
seines Suffraganbischofs Sproll von Rottenburg, als er sich weiter als andere Kirchenführer
exponierte. So verhalf er Frau Gertrud Luckner in Freiburg zur Möglichkeit, vielen
Juden noch bis zum Frühjahr 1943 in seinem persönlichen Auftrag helfen zu können,
obwohl Parteileute und Dienststellen gegen ihn bereits den Vorwurf des Hoch- und Landesverräters
erhoben. Sowohl der örtliche Freiburger Kreisleiter Fritsch als auch der badische Kultusminister
Schmitthenner bezeichneten ihn als „Vaterlandsverräter". Mehrmals versuchte man
intrigenhaft — auch mit Vorwürfen unsittlichen Verhaltens —, seine Absetzung zu erreichen.
Obwohl er im Krieg bei NSDAP-Stellen als „Exponent und Rufer im Streite der deutschen
Bischöfe gegen den Nationalsozialismus" galt, lehnte Hitler Maßnahmen gegen Gröber „bis
auf weiteres" ab (S. 137 f.); man wollte erst nach dem Kriege mit ihm „abrechnen", wie Hitler
und Goebbels vertraulich erklärten.

Mehrmals gesteht der Autor, daß ihm Gröbers Verhalten „Rätsel" aufgibt. So ist es auch
schwierig, zu verstehen, daß Gröber 1944 die Fuldaer Bischofskonferenz verlassen und „seine
eigenen Wege gehen" wollte (s. 165). Leider werden die Hintergründe dieser Absicht, deren
Ausführung durch Kardinal Bertrams Appell verhindert werden konnte, vom Verfasser nicht

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