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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1986/0334
Beiträge zur Volkskunde in Baden-Württemberg. Hrsg. von der Landesstelle für Volkskunde
Freiburg / Badisches Landesmuseum Karlsruhe und der Landesstelle für Volkskunde
Stuttgart / Württembergisches Landesmuseum. Kommissionsverlag Konrad Theiss Stuttgart,
1985. Band 1/1985. 282 Seiten, 24 Abbildungen.

Die Landesstellen für Volkskunde in Freiburg und Stuttgart, die den beiden Landesmuseen
zugeordnet sind, haben eine neue Reihe ins Leben gerufen: „Beiträge zur Volkskunde in
Baden-Württemberg". Sie soll in Zukunft neben den seit 1971 erscheinenden „Forschungen
und Berichte(n) zur Volkskunde in Baden-Württemberg" bestehen und ein breites Spektrum
von Arbeiten aus dem Bereich der empirischen Kulturwissenschaften bieten, nicht nur von
Autoren aus den einschlägigen Universitätsinstituten, sondern auch von Praktikern vor Ort.
In den „Forschungen und Berichte(n)" werden Monographien veröffentlicht.

Band 1 der neuen Reihe wurde von der Freiburger Landesstelle redigiert, das heißt von deren
Leiter Bernhard Oeschger und den wissenschaftlichen Mitarbeitern Ulrike Höflein und
Edmund Weeger. Badische Themen überwiegen, aber auch Württembergisches ist vertreten.
Es ist ein sehr lebendiges und inhaltsreiches Buch geworden, das zeigt, daß es der modernen
Volkskunde nicht nur um Sage, Märchen und Brauchtum geht, sondern um die Erforschung
von kulturellem Leben im Detail und der Sozialstrukturen, die dahinterstehen. Ganz deutlich
kommt das zum Ausdruck in einer Untersuchung über das Vereinsleben im Freiburger Stadtteil
Littenweiler. Vier Autoren stellen darin vor, was zwanzig Freiburger Volkskundestudenten
1983/84 bei einem Praktikum zur Gemeindeforschung erhoben und beobachtet haben: daß die
Alteingesessenen in den Vereinen dominieren, ja fast unter sich sind, daß bei den Vereinsangehörigen
ein ausgeprägtes Heimatgefühl lebendig ist, daß jedoch nur wenig Gemeinsamkeit gepflegt
wird mit der Mehrheit der Zugezogenen, die nicht das Dorf von einst, sondern die bevorzugte
städtische Wohnlage suchen. Feine und feinste Details werden durchleuchtet, etwa
die persönliche Ausstrahlung der Vereinsvorsitzenden oder die Tatsache, daß die Jugendlichen
in den Vereinen, gemessen an der Elterngeneration, als soziale Aufsteiger zu werten sind.

Hans Binder, der Leiter der Volkshochschule Nürtingen, schreibt über die Geschichte des
Musikvereins von Seißen bei Blaubeuren. Peter Assion ist mit einer Abhandlung über das
Odenwälder Bauernhaus vertreten. Er zeigt, wie die Bauweise das alltägliche Leben beeinflußte
und wie neue Bedürfnisse der Bewohner zur Änderung der Raumaufteilung führten.
Der Untersuchungszeitraum reicht bis in die frühe Neuzeit zurück. Andreas Hartmann greift
den Stoff seiner Dissertation „Freiburg 1900" auf und schreibt über das städtische Selbstbewußtsein
in der Breisgaumetropole um die Jahrhundertwende, wie es sich aus den zeitgenössischen
Quellen herausfiltern läßt. Er kostatiert ein Spannungsfeld von Gegensätzlichem zwischen
provinzieller Unsicherheit und dem Hang zum Überdimensionierten. In letzterem
Zusammenhang sieht der Autor den Bau des Stadttheaters oder das Auftürmen der mittelalterlichen
Stadttore.

Gerhard Auer steuert eine interessante Fallstudie zur Auswanderungsgeschichte des
19. Jahrhunderts bei: die Kollektivauswanderung von 24 Familien aus der Winzergemeinde
Pfaffenweiler bei Freiburg nach Algerien im Jahr 1853. Bei den Auswanderern handelte es sich
um sogenannte Ortsarme, zu deren Unterhalt die Gemeinde beitragen mußte. Sie förderte und
finanzierte daher deren Wegzug. Die Existenzmöglichkeiten in Algerien waren jedoch sehr
enttäuschend; viele der Einwanderer verelendeten im Zielgebiet um Constantine endgültig,
vor allem Restfamilien ohne Väter. Gerhard Auer, der in Pfaffenweiler als Gemeindearchivar
gearbeitet und ein Dorfmuseum aufgebaut hat, stellt dieses Kapitel, das heute noch Empfindlichkeiten
wecken kann, sehr objektiv dar, ohne zu verletzen. Bezüglich der prekären Frage,
wer die Enttäuschung der Algeriensiedler zu verantworten habe, stellt er klar, daß es nicht die
Franzosen waren, die unwahre Versprechungen gemacht hätten. Mit dieser Schuldzuweisung,

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