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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
107.1988
Seite: 156
(PDF, 38 MB)
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Zeit an Absatzgelegenheit, und es traten Stockungen ein in der Verwertung der Erzeugnisse
."64 Aus dieser Situation gab es für die Hausindustriellen nur den Ausweg,
ihre Ware direkt an die Großfabrikanten zu verkaufen, die sie dann mit ihrer Fabrikware
zusammen vertrieben.

Die Hausindustriellen brachten ihre Bürsten an den Samstagen nach Todtnau auf
den Markt, um sie an die Fabrikanten zu verkaufen. Diese legten „je nach Qualität
und Bedarf ihre Preise fest."65 „Daß hierbei auch mitunter die Notlage eines Produzenten
ausgebeutet und daß versucht wird, durch Manipulation allerlei Art die Preise
zu drücken, ist begreiflich. Leider kommt es auch gar zu häufig vor, daß, besonders
bei mangelnder Nachfrage, die Unternehmer selbst sich gegenseitig herunterbieten
und, weil sie bedauerlicherweise nicht zu rechnen oder Buch zu führen gewohnt sind
und in der Regel auch nicht auf Lager gearbeitet wird, ihre Ware zu solchen Schleuderpreisen
losschlagen, daß ein Gewinn geradezu ausgeschlossen ist und der einzige
Vorteil für sie vielleicht darin besteht, daß sie (...) etwas bares Geld auf die Hand
bekommen."66

„Gewissenlose Ausbeutungen" seien in Todtnau allerdings nur selten vorgekommen
und „Klagen über die Unsitte des Trucksystems nur ganz vereinzelt laut geworden
."67 „War auch die persönliche und wirtschaftliche Selbständigkeit derer, die
sich als Arbeiter in die geschlossenen Fabrikbetriebe begaben, unwiederbringlich dahin
, so vermochten die in ihren Häusern verbleibenden Bürstenmacher sich doch
wenigstens einen Schein von Selbständigkeit zu wahren."68

Wie schwach dieser „Schein von Selbständigkeit" in Wirklichkeit war, wird aus der
Beschreibung der Verhältnisse bei Muth deutlich. Die Großindustriellen diktierten
nicht nur die Preise, sondern auch die Arten und Qualitäten der herzustellenden Bürsten
. Weil sich die Produktion der billigsten Bürstensorten für die Fabriken nicht
lohnte, blieb allein diese Sparte den Hausindustriellen überlassen. Diese Billigstware
wurde als „Lockvogelangebot" mit den teureren Fabrikwaren abgesetzt. Zwar arbeiteten
die Kleinproduzenten nach wie vor „auf eigene Rechnung", aber sie konnten eben
nur noch das produzieren, was bei den Großfabrikanten gerade gefragt war. Bürsten
von besserer Qualität, die etwas mehr Gewinn abgeworfen hätten, wurden von den Fabrikherren
eben einfach nicht abgenommen und wenn einmal ausnahmsweise, dann
nur in halbfertigem Zustand. Es war gewöhnlich also „nur ganz geringwertige, einen
Gewinn kaum ermöglichende Ware (...), die bei den Verlegern Abnahme fand."69

Zu der Konkurrenz, die sich die Bürstenmacher gegenseitig machten, kam noch die
Konkurrenz der Bürstenmacherei in Gefangnissen, Spitälern usw., die den Preis
drückte. Durch all diese ungünstigen Bedingungen für die Heimindustriellen fiel der
Preis, den die Bürstenbinder im Schnitt erzielen konnten, zwischen 1862 und 1887
um ca. 20%, bei gleichbleibenden Rohstoffpreisen und steigenden Lebensmittelpreisen
. 70

Die Kapitalschwäche der Heimindustriellen zwang viele, ihre „Selbständigkeit"
aufzugeben und in der Fabrik zu arbeiten. Damit hatten die Großfabrikanten einen
idealen Arbeitsmarkt: qualifizierte Bürstenbinder, die zu allen Bedingungen arbeiten
mußten, da es kaum andere Erwerbsquellen gab. Auch dies war ein Grund für den
raschen Aufstieg der Fabrikindustrie. Dennoch war für viele die Fabrikarbeit finanziell
einträglicher als die Heimarbeit.

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