Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 465,da
Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
107.1988
Seite: 227
(PDF, 38 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1988/0229
Die „Reichskristallnacht" in historischer
und kriminologischer Sicht

Von

Wolf Middendorff

Vorwort

Die sogenannte Reichskristallnacht im November 1938 mit der Zerstörung von Synagogen
, der Ermordung jüdischer Menschen und der Vernichtung großer Sachwerte
bot im Rückblick von 50 Jahren Anlaß zu zahlreichen Gedenkfeiern, wobei dieses
historische Gedenken seiner Natur nach zumeist subjektiv war. In den folgenden Ausführungen
soll dagegen mit dem Werkzeug des Historikers und des Kriminologen
versucht werden, ein möglichst objektives Bild des Geschehens zu vermitteln — so
schwer dies auch ist. Wer von Objektivität spricht, muß sich auf die Worte Leopold
von Rankes beziehen, der einmal ausführte, sein Versuch der Geschichtsschreibung
„unterwinde" sich nicht der hohen Amter, „die Vergangenheit zu richten, die Mitwelt
zum Nutzen zukünftiger Jahre zu belehren", er wolle vielmehr „bloß zeigen, wie es
eigentlich gewesen", er wolle nur die Dinge reden und die mächtigen Kräfte erscheinen
lassen.1 Die Aufgabe des Historikers ist, um ein Wort von Droysen anzuführen,
das „forschende Verstehen", das. wie Martin Broszat schrieb, nicht vor der NS-Zeit
haltmachen kann, „sosehr die Massen verbrechen und Katastrophen, die das Regime
anrichtete, zu entschiedener politisch-moralischer Verurteilung immer wieder herausfordern
".2

Zum Verstehen gehört es auch, ein Geschehen in größere Zusammenhänge einzuordnen
, es mit ähnlichen Geschehnissen zu vergleichen und seine Ursachen zu erforschen
, wie es der Kriminologe tut, soweit es sich um Straftaten handelt. Sein Verstehen
ähnelt dem des Historikers; mit den Jahren hat sich die Historische Kriminologie
als eigener Forschungszweig entwickelt.

In diesem Sinne sollen im folgenden Ursachen und Anlaß der Reichskristallnacht
und die Persönlichkeit der Täter untersucht, sowie die justizielle Ahndung der begangenen
Verbrechen kritisch dargestellt werden.

Die Vorgänge in der Reichskristallnacht und ihre Folgen

a) in Freiburg und anderen badischen Orten

Am Morgen des 10. November 1938 wurde in Freiburg zwischen 3 Uhr und 3.30 Uhr
das Notrufkommando der Polizei alarmiert. Der diensthabende Kriminalbeamte
rückte mit dem Kommando aus, und als man an der Synagoge gegenüber dem Stadttheater
ankam, schlugen die Flammen bereits aus dem Dachstuhl heraus. Einige
Männer in Zivil bewegten sich um die Synagoge herum; einer von ihnen näherte sich

227


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1988/0229