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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
107.1988
Seite: 240
(PDF, 38 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1988/0242
wörtlich begründete sie ihre Anwesenheit in dem Judenladen: ,Ich habe der Geschäftsinhaberin
geholfen, weil ich eine alte Kundin von ihr bin'. Erst als der Beamte sie
darauf aufmerksam machte, daß er sie zur Feststellung ihrer Personalien auf die Wache
mitnehmen müsse, gab die Frau an, daß sie die Gattin des Professors Kahle, Kaiserstraße
61, sei. Der junge Mann war ihr Sohn, der Student Wilhelm Kahle ...

Die ehrlich und rein empfindende Bonner Bevölkerung steht sprachlos vor einer
solchen Gemeinheit. Das hatte Frau Kahle befürchtet und deshalb wollte sie nicht im
Westdeutschen Beobachter genannt sein. Sie weiß, daß das nicht nur die Nennung
ihres Namens in einer Zeitung ist, sondern die Veröffentlichung eines vernichtenden
Urteilsspruches, den das deutsche Volk über sie und ihren Sohn fällt. Sie wußte also,
wie die Bonner Bevölkerung über ihre Handlungsweise urteilen würde, sie wußte,
daß sie sich nicht nur außerhalb der Gemeinschaft, sondern gegen sie stellte. Und
sie wußte, daß sie das ganze Volk in seinem heiligsten Gefühl beleidigte und verriet.
Trotzdem war sie Judenkundin ...

Es gibt einen kleinen Kreis Gesinnungsgenossen vom Schlage der Frau Kahle. Das
wissen wir. Und es gibt noch einen Kreis jener, die über ihrer schwächlichen Sentimentalität
die harten Erfordernisse zur Rettung Deutschlands nicht verstehen können
wollen. Es gibt noch solche, die ihr im allgemeinen vielleicht verständliches Mitleid
irreführt. Es gibt sie bis in die letzten Schattierungen jener, die das Judentum als Verbrecher
und Feind Deutschlands erkennen, aber — eine rücksichtslose Bestrafung als
zu hart empfinden. Diese letzteren führen gerne das Wort ,Menschlichkeit' im
Munde und vergessen, daß es in dieser Frage nur eine wahre Menschlichkeit gibt:
Die Ausrottung der Weltpest".26

Die justizielle Ahndung

a) Herschel Grünspan

Zu Beginn des Westfeldzuges im Mai 1940 hatte in Paris der Prozeß gegen Herschel
Grünspan noch nicht begonnen. Als die deutschen Truppen sich der Stadt näherten,
wurde Grünspan zunächst nach Orleans und dann nach Bourges transportiert. Hier
wurde er in Freiheit gesetzt, meldete sich dann aber im Gefängnis von Toulouse und
bat um Aufnahme. Nach dem Abschluß des Waffenstillstandes wurde er ohne weitere
Umstände von den Franzosen den Deutschen an der Demarkationslinie übergeben.
Eine Zeitlang war Grünspan Sonderhäftling im KZ Sachsenhausen und wurde im
Sommer 1941 in das Untersuchungsgefängnis Moabit in Berlin eingeliefert. Die
Reichsanwaltschaft beim Volksgerichtshof erhielt die Weisung, Anklage wegen Mordes
zu erheben. Nun entstand ein Tauziehen zwischen drei Behörden, die sich um
den maßgeblichen Einfluß auf den beabsichtigten Schauprozeß stritten. Die Juristen
wollten die Hauptverhandlung in der gewohnten Form durchführen. Das Propagandaministerium
hingegen legte Wert auf eine propagandistische Großaktion, um die Verschwörung
des Weltjudentums gegen das Deutsche Reich darzustellen, wie man damals
sagte. Und schließlich wollte Reichsaußenminister v. Ribbentrop den Fall in die
Gestaltung der diplomatischen Beziehungen zwischen Deutschland und Frankreich
einbauen und eine Reihe prominenter Franzosen als Zeugen laden lassen.
Im Laufe der nun folgenden Ermittlungen tauchte die Behauptung Grünspans auf,

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