Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 465,da
Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
108.1989
Seite: 246
(PDF, 38 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1989/0248
führten zu einer immer weiter fortschreitenden Spezialisierung einzelner Fächer, in
denen Hervorragendes geleistet wird, das zur alltäglichen Versorgung von Patienten
gehört. Wenn Kußmaul ein Meister des „Moral treatment"99 war, sind wir Spezialisten
in der Anwendung technischer Mittel geworden (Bioingenieure?). Einerseits ist
dies eine folgerichtige Entwicklung, andererseits aber wird in großen Kliniken bereits
beklagt, daß sich der technische Apparat wie eine Mauer zwischen die notwendige
persönliche Kommunikation des Arztes mit dem Patienten schiebt. Und wenn jungen
Medizinern in forschenden Kliniken gute Publikationen wichtiger sind als das Ziel,
gute Arzte zu werden, ist dies sicher nicht akzeptierbar. Wozu „reiner" Forschergeist
außerdem fähig ist, beginnen wir erst heute vorurteilslos zu diskutieren, indem die
Medizin im Nationalsozialismus aufgearbeitet wird.100 Den herausgegriffenen Stich-
punkten zur klinischen Medizin füge ich solche praktischer Arzte hinzu. Auf ihren
Standesversammlungen wird mit Vorliebe, oft voller Selbstmitleid, Klage über Gebührenordnungen
und staatliche Eingriffe geführt. Dabei beschneiden sie sich selbst
der Möglichkeiten ärztlichen Handelns, indem durch sogenannte Prüfkommissionen
die praktische Tätigkeit nach statistischen Gesetzen durchleuchtet wird. Damit kann
für Patient und Arzt die Möglichkeit gründlicher Praxis unterbunden werden, wenn
beispielsweise eine eingehende körperliche Untersuchung aus fragwürdigen wirtschaftlichen
Gründen bestraft und damit verboten wird. — Soviel zu den „Fortschritten
" in der Medizin. Durch eine Analyse unserer Medizin und eine Gesamtdarstellung
Kußmauls könnte eine konstruktive Kritik geleistet werden. — Schüler und
Lehrer kommen noch einmal zu Wort, um so leichter zu erkennen, was heute
„falsch" sein kann.

„Mehr als ein viertel Jahrhundert ist dahingegangen, seit Kußmaul Freiburg verließ
, über ein Dutzend Jahre sind verflossen, daß er von Straßburg Abschied nahm,
und doch: Wollte jemand, der durch das Elsaß oder Baden wandert, da und dort ein
Gespräch über Medicin und Aerzte anknüpfen, er würde überall das Andenken an
Kußmaul lebendig finden. Bis tief hinein in die Seitentäler des Gebirges, auf den Höhen
des Schwarzwaldes, der Vogesen, auf den Rebhügeln und in den Ebenen, bei den
Leuten jeglicher Bildung, dem Bauer und dem Städter, und nicht am Wenigsten bei
den Angehörigen des ärztlichen Standes zaubert dieser Name ein freudiges und
gleichzeitig behagliches Lächeln hervor. Sie alle bewahren treues Gedenken dem
Manne, welcher vielen aus den Ängsten und Noethen schwerer Krankheit zur Genesung
verhalf, welcher durch seinen beruhigenden Zuspruch Patienten und bekümmerten
Freunden manch drohendes Schreckgespenst wandte, der an vielen Schmer-
zenslagern durch seine tröstlichen, nie hohlen Worte, durch seine sonnige, sorgliche
Weise Licht verbreitete, wo eben noch Verzweiflung finster gedroht." So beginnt
Cahn den Aufsatz zum 80. Geburtstag seines Lehrers.101 Ein Unbekannter teilt uns
den folgenden Dankbrief Kußmauls mit:

„Mein lieber College und Freund! Eine Flut von Ehren, Liebesgaben, Blumen und
Bildern, Adressen, Briefen und Glückwunschkarten ist am 22. Februar [1902] über
mich hereingestürmt und es gelingt mir nicht völlig, meine Dankesschuld brieflich
abzutragen . .. Gestern las ich Ihre so überaus liebevolle Schilderung meiner Person
und Tätigkeit. Sie hat mich tief gerührt. Es erweckt eigenthümliche Gefühle, wenn
man sein Bild erblickt, gezeichnet von ehemaligen Schülern, die es jetzt als reife

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