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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
108.1989
Seite: 272
(PDF, 38 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1989/0274
1940 ging von der Kreispflegeanstalt der erste Transport mit 75 Pfleglingen weg. Welchem
Zweck diese Verlegung dienen sollte, war ebenfalls niemandem bekannt. Einige
Tage zuvor war eine Liste mit den 75 Namen mit der Aufforderung zugeschickt worden
, diese Patienten für eine Verlegung zu dem angegebenen Tag fertigzumachen.
Wohin die Patienten verlegt werden sollten, wußte niemand. Der Abtransport ging
ruhig vonstatten. Es kamen zum Abholen der Pfleglinge vier oder fünf große Postomnibusse
, die Fenster waren weiß gestrichen. In den Omnibussen bin ich gewesen,
um mich von den Leuten zu verabschieden.

Die Omnibusse wiesen im Inneren keine Besonderheiten auf. Von denen, die wegkamen
, war ein erheblicher Teil, allerdings weniger wie die Hälfte, mehr oder weniger
arbeitsfähig. Sie haben im Garten, in der Küche, beim Hausputz mitgeholfen. Bei
dem ersten Transport waren auch solche dabei, die geistig gesund oder doch annähernd
gesund waren. Ich schätze die Zahl dieser Leute auch gegen 30. Bei dem Transport
war auch eine größere Menge altersgebrechlicher Leute dabei. Auch mir ist aufgefallen
, daß das männliche und weibliche Pflegepersonal mit den Patienten ziemlich
grob umging. Einige Tage nach dem Abgang dieses ersten Transports hat Direktor
Späth mir antelephoniert und mir bestürzt mitgeteilt, er hätte mehrere Todesanzeigen
von Patienten des ersten Transports erhalten. Doch Direktor Späth erklärte sofort, er
halte es für unmöglich, daß diese gestorben seien. Direktor Späth hat mir dann mit
Tränen in den Augen die Todesnachrichten gezeigt. Weitere Todesnachrichten sind
dann laufend angekommen. Die Todesnachrichten kamen von Grafeneck. Direktor
Späth und auch das übrige sonstige Personal waren bald davon überzeugt, daß diese
Leute nicht eines natürlichen Todes gestorben sein könnten. Im November 1940, den
genauen Tag weiß ich nicht mehr, ging ein zweiter Transport zwischen 50 und 60 Personen
von der Kreispflegeanstalt weg. Der Transport war einige Tage zuvor angekündigt
worden. Es wurde wieder die Liste der mitzugebenden Patienten übersandt. Direktor
Späth war am Tage des Abtransports in Karlsruhe, wo er dienstlich zu tun
hatte. Schon ehe der zweite Transport wegging, hatte Direktor Späth mit mir wiederholt
darüber gesprochen, ob man gegen den Abtransport etwas machen könne. Direktor
Späth und ich selbst sahen aber keine Möglichkeiten zu einem Ausweg ... Als
der zweite Transport wegging, war außer einem Wärter nur weibliches Pflegepersonal
in der Anstalt. Die zweite Einladung der Patienten in die Kraftwagen war furchtbar
. Diesmal durfte vom Anstaltspersonal niemand mehr in den Wagen. Es wurden
die 50—60 auf der Liste vermerkten Patienten von dem Transportpersonal gewaltsam
in die Kraftwagen geschafft. Nur eine geistig völlig unzurechnungsfähige Frau ging
freiwillig mit. Alle anderen Patienten haben sich aufs heftigste gewehrt, denn sie
wußten, was ihnen bevorstand. Ich habe mich bei diesem Abtransport besonders für
ein Fräulein W. verwandt. Ich wollte mindestens diese vom Transport zurückhalten.
Diese stand nämlich kurz vor der Entlassung. Sie konnte zu jeder Arbeit verwandt
werden, es lag nur ein ganz leichter Fall von Schizophrenie vor. Sie war allerdings
schon jahrelang in der Anstalt. Wenn dieses Fräulein W. Verwandte gehabt hätte,
dann wäre sie schon längst entlassen worden. So wußte sie aber nicht, wo sie sich
hinwenden sollte nach der Entlassung ... Der Transportführer hat sich aber geweigert
, Fräulein W. freizugeben, er müsse die ihm vorgeschriebene Anzahl von Patienten
mitbringen. Er versprach allerdings, er wolle sich in der neuen Anstalt für Fräu-

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