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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
110.1991
Seite: 195
(PDF, 38 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1991/0197
[...], die aussieht wie eins von den trostlosen Vierteln von Dundas [Toronto]/"23
Mit dem Uberschreiten der französisch-deutschen Grenze ändert sich der Berichtsstil
des Journalisten. In das persönlich Erlebte fließen plötzlich nüchterne Zahlen ein, die
das Ausmaß der inflationären Preisentwicklung in Deutschland dokumentieren
sollen.

Als Ausgangspunkt dient naheliegenderweise zunächst die eigene Geldbörse: In
Straßburg war es den sechs Touristen unmöglich gewesen, deutsches Geld zu bekom-
men5 da der anwachsende Bedarf die Kassen der Banken vollends erschöpft hatte. Im
Bahnhof von Kehl angekommen, nutzte man also die Gelegenheit und tauschte ein
paar Francs. Für 10 Francs erhielt man 670 Mark, der Dollar stand bei 800 Mark.24
Was lag also näher, als sich den günstigen Umtauschkurs für Einkäufe und Wirtshausmahlzeiten
zunutze zu machen? Man unternahm einen kurzen Einkaufsbummel und
kehrte anschließend in das beste Kehler Hotel ein, um sich das fünfgängige Tagesmenü
zum Preis von 120 Mark (umgerechnet 15 Cents) servieren zu lassen. Nüchtern
besah sich der Berichterstatter die Schaufenster und nahm die Warenpreise zur Kenntnis
: „Das Pfund Erbsen kostete 18 Mark, Bohnen 16 Mark. Ein Pfund .Kaiser-Kaffee4
— es gibt noch immer viele »Kaiser'-Schutzmarken in der deutschen Republik
— war für 34 Mark zu haben, ,Kaffee', der nichts mit Kaffee zu tun hat, sondern aus
gerösteter Gerste besteht, für 14 Mark! Das Paket Fliegenpapier kostete 150 Mark.
Ein Sensenblatt kostet auch 150 Mark oder achtzehndreiviertel Cent. Der Bierpreis:
10 Mark der Steinkrug oder eineinviertel Cent."23

Kehl hatte Anfang August 1922 bei weitem ausgefallenere Sehenswürdigkeiten zu
bieten als Straßburg. Hemingway wurde Augenzeuge eines sich täglich wiederholenden
Ansturms französischer Bürger, die über die Grenze eilten, um für einen Spottpreis
die Bäckereien und Konditoreien leerzuräumen. Die Zollvorschriften verboten
die Einfuhr der Waren nach Frankreich, und so war man genötigt, das Gekaufte an
Ort und Stelle zu verzehren. Das durch die Inflation bedingte Hin- und Herstürmen
der Franzosen dauerte jeweils bis in die Abendstunden, und die einzelnen zeitlich
verschränkten Konsumentenhorden begegneten sich hier und da: „Als die letzten Kaffeetrinker
und Kuchenesser über die Brücke straßburgwärts gingen, trafen die ersten
Valutahelden ein, um Kehl nach einem billigen Abendbrot abzugrasen. Die beiden
Ströme begegneten sich auf der Brücke, und die beiden trostlosen deutschen Soldaten
sahen zu.**26

Freiburger Filzhüte

Vom Februar 1920 bis zum Dezember 1924 hat Hemingway insgesamt mehr als 150
Artikel für den ,Star geschrieben.21 Einer dieser Beiträge, der am 19. Januar 1924,
also bald zwei Jahre nach dem Deutschland-Aufenthalt, im ,Toronto Star Weekly4 erschien
, war zwar nicht als eigener Bericht des Pariser Korrespondenten signiert, läßt
aber unschwer erkennen, daß es sich bei dem Verfasser nur um Hemingway selbst
handeln konnte. Diese Gewißheit stützt sich auf zwei unverkennbare Merkmale: Zum
einen benutzte der Reporter einfach den Namen seines ersten Sohnes John Hadley
als Pseudonym,28 zum anderen verweist der Autor auf den Kauf eines Filzhutes, der
nur während des in den folgenden Abschnitten zu behandelnden Aufenthaltes in Frei-
bürg getätigt worden sein konnte.29 Die Unannehmlichkeiten, die sich Hemingway

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