Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 465,da
Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
110.1991
Seite: 197
(PDF, 38 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1991/0199
schaftliche Situation anhand der Freiburger Verhältnisse exemplarisch und in Form
eines Erlebnisberichtes aufzuzeigen. In der Tat scheint sich der eher anekdotisch gefärbte
Berichtsstil der Straßburger Depesche mit der desillusioniert-nüchternen
Schreibweise des Kehler Artikels verknüpft zu haben.

Freiburg diente als Zwischenstation. Der Depesche ist zu entnehmen, daß man sich
nicht allzu lange einquartierte: „Wir wohnten zu viert vier Tage in einem Freiburger
Hotel, und die Rechnung belief sich auf 2 200 Mark oder etwa 20 Cent pro Tag und
Person. Die phantastischen Abgaben, von denen man soviel liest, betrugen weniger
als 15 Cent für den gesamten Aufenthalt. Trinkgelder einbegriffen."33 In welchem
Hotel die Touristen abstiegen, wissen wir nicht, da entsprechende Hinweise fehlen
.34 Auch läßt der Kontext des Berichts kaum erkennen, wo sich das Hotel befunden
hat. Die ausländischen Gäste bewegten sich offensichtlich vor allem in der Innenstadt
(oder schien, wie schon in Straßburg, nur die Schilderung dieses Stadtteils
mitteilenswert?).

Der Freiburger Artikel besteht aus zwei inhaltlich verschiedenen Blöcken. Fast die
Hälfte des Textes ist ausschließlich der Schilderung der desolaten wirtschaftlichen
Lage Deutschlands gewidmet. Liest man den Text genauer, gibt er sogar den Prozeß
seiner Entstehung preis: Hemingway hat sich anhand mehrerer Zeitungen über die
inflationäre Entwicklung in den Städten informiert. So kommt er eingangs zu dem
Pauschalurteil, die Deutschen würden den Verfall ihrer Währung „[. . . ] je nach Temperament
mit hartnäckiger Trägheit oder hysterischer Verzweiflung [...]" beobachten
.35 Er hat die deutschen Zeitungen zur Kenntnis genommen und erwähnt den
Tageskurs der Mark, der in schwarzen Lettern die jeweiligen Titelseiten ziert, als gegenwärtiges
Kuriosum. Das Währungsdebakel beherrscht die Tagespresse, und Hemingway
paraphrasiert ausgiebig: Deutschland geht dem finanziellen Ruin entgegen,
was zu allgemeinem Ausländerhaß, Geldknappheit trotz inflationärer Banknotenvermehrung
und Kauforgien in den Städten führt. Doch gerade das Ausbleiben eines solchen
Kaufrausches in Freiburg leitet sodann über zur Beschreibung der Verhältnisse
vor Ort: Der Zusammenbruch der Währung wird von den Freiburger Kaufleuten
vehement gebremst. Sie verschließen sich einfach dem rapiden Verfall der Mark und
geben dem ausländischen Kunden die Schuld an allem. Einzelberichte über gehässige
Freiburger Ladenbesitzer hat Hemingway seinen Lesern bedauerlicherweise erspart,
und so erfährt man kaum etwas über die rüden Umgangsformen, mit denen der Reporter
konfrontiert gewesen sein muß. Daß er solches erlebt hat, dürfte jedoch feststehen
; der Schluß der Depesche läßt kaum eine andere Deutung zu.

Wie bereits in Straßburg ist es vor allem das Münster, das Hemingway anzieht. In
wenigen knappen Strichen führt er dem Leser das Ortstypische Freiburgs vor Augen:
„Freiburg schien es ziemlich gut zu gehen. Sämtliche Zimmer in den Hotels der
Stadt waren belegt. Scharen von deutschen Wanderern zogen den ganzen Tag lang mit
Rucksäcken bepackt durch die Stadt in Richtung Schwarzwald. In den tiefen Rinnen
zu beiden Seiten der sauberen, wie geschrubbt aussehenden Straßen strömten Bäche
klaren Wassers. Der rotsteinerne gotische Turm des rotsteinernen Münsters ragte
über die roten Ziegeldächer der Häuser. Am Sonnabendvormittag wimmelte es auf
dem Marktplatz von Frauen mit weißen Kopftüchern, die Obst und Gemüse verkauften
, das sie in Ochsenkarren vom Lande hereingebracht hatten. Alle Geschäfte hatten

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