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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
111.1992
Seite: 143
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Nach 1871 hatten die Badener wie alle Deutschen im Kaiserreich Frieden, fast 44
Jahre, fast so lange, wie ihn unsere Generation seit 1945 erleben darf. Aber Soldatsein
gehörte im Kaiserreich zum Alltag. Im Kenzinger Wochenblatt charakterisierte
1873 eine Satire das SoJdatenleben folgendermaßen:

Der Soldat ist ein vom Weibe geborenes, zum Leiden erkorenes, kahlköpfig geschorenes
, vom Lande gekommenes, bei der Musterung genommenes, gleich anfangs
geimpftes, dann manchmal geschimpftes, viel Hunger habendes, an Kommißbrod sich
labendes, Dauerlauf trabendes, in Gleichmarsch gehendes, auf Kommando stillstehendes
, langsamen Schritt machendes, im Gliede nie lachendes, Schweißtropfen vergießendes
, rechts und links schießendes, Erbsensuppe genießendes, Einjährigen bedienendes
, 2 Groschen verdienendes, krampfhaft marschierendes, drei Winter lang
frierendes, aus Verzweiflung kapitulierendes, endlich avancierendes, dann andere bestrafendes
, aufWache gern schlafendes, sich als höheres Wesen fühlendes, Zulage erhaltendes
, Korporalschaft verwaltendes, dort unumschränkt schaltendes, Kriegsherrn
hochhaltendes, Demokraten verachtendes, nach Köchinnen schmachtendes,
sich nach Ruhe sehnendes, und endlich Pension nehmendes, zum Polizisten, Briefträger
oder Nachtwächter sich bequemendes Individuum.^

Authentisch schildert Wilhelm Engler, ein Kaiserstühler, der als Zimmerergeselle
in der bayerischen Pfalz arbeitete, seine Militärdienstzeit, die er 1894 in Würzburg
ableistete:

Während der ersten 6 Wochen meiner Rekrutenzeit hatte ich es sehr scjilimm. Mein
Korporalschaftsführer, ein Sergeant, konnte mich nicht ausstehen, offenbar aus politischen
Gründen [Engler war Sozialdemokrat]. Er geriet schon in Zorn, wenn er mich
sah, kommandierte mich zu allen möglichen Arbeiten, zum Zimmer-, Hof- und Abortreinigen
, Nichts, was ich machte, war recht. Vor den Kameraden suchte er mich lächerlich
zu machen. Wollte ich ausgehen, war mein Anzug nicht in Ordnung, oder
der Sergeant hatte eine Arbeit für mich.

A n einem Sonntag jagte er mich dreimal aus dem Verschlag, weil meine Stiefel nicht
gut gewichst seien. Zuletzt wurde er über das Gesicht, das ich machte, so wütend,
daß er das Seitengewehr zog. Zu seinem und meinem Glück hat er aber von der Benützung
abgesehen. Ich war fest entschlossen, nicht stille zu halten, wie es die militärische
Disziplin verlangt hätte.

In den ersten Wochen schikanierten mich auch die beiden Gefreiten auf der Stube,
obwohl sie nicht zu meiner Korporalschaft gehörten. Jeden Morgen brachten sie mir
kurz vor dem Antreten ihre Stiefel zum Wichsen. Beide standen vor der Beförderung
zum Unteroffizier, daher war eine Ablehnung meinerseits nicht ratsam. Durch die
Stiefelwichs er ei kam ich wiederholt zu spät zum Antreten. Als mich der Vizefeldwebel
darob anschnauzte, sagte ich, daß ich den Gefreiten die Stiefel wichsen mußte. „Die
sollen ihre Stiefel selber wichsen*', erklärte der Vizefeldwebel. Das merkte ich mir.
Als am andern Morgen der erste kam, sagte ich ihm, der Feldwebel habe erklärt, die
Gefreiten sollen ihre Stiefel selber wichsen. Nun ging es aber los wegen meiner
Frechheit.

In der Sache selbst konnten sie nichts machen, doch hatte ich gesagt, der Feldwebel
statt der „Herr Feldwebel" Der Korporalschaftsführer diktierte mir als Übung,
25mal zu schreiben: Der Herr Feldwebel. Strafen durften die Herren ja nicht, aber

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