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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
111.1992
Seite: 144
(PDF, 29 MB)
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Übungen konnten sie auferlegen. So wurde dann entdeckt, meine Stiefel seien nicht
gut gewichst. Also zur Übung eine Woche lang jeden Tag 25 Paar Stiefel wichsen J

An anderer Stelle berichtet Engler, der später Stadtrat hier in Freiburg, dann 1920
Arbeitsminister in der badischen Regierung wurde:

Unser Rekrutenleutnant war darauf bedacht, uns den unbedingten Gehorsam in
Fleisch und Blut zu impfen. Der Drill erschien ihm dabei ein geeignetes Erziehungsmittel
. Nicht aus Freude über die Schinderei übte er den Drill aus, sondern weil er
ihn fiir notwendig hielt. Er konnte nach einer Felddienstübung nochmals mit dem
Exerzieren beginnen und uns herumjagen, daß uns der Atem schier ausging. Plötzlich
hieß es: „Sektionskolonne formiert, ohne Tritt marsch!" Wurde dann nicht gleich gesungen
, ging das Herumjagen nochmals los. Der Soldat durfte weder müde, noch
mißmutig sein. In einem Lehrbuch für Offiziere las ich einmal, daß sich die Leitung
in einer Schlacht nicht auf die Tapferkeit der Soldaten verlassen könne, sondern nur
darauf daß sie unbedingten Gehorsam leisten; die militärische Erziehung müsse den
Drill anwenden, um jeden einzelnen Soldaten in den Bann des unbedingten Gehorsams
zu bringen, obwohl bekannt sei, daß der Drill von den Mannschaften oft als
Schikane empfunden werde. Dieser Auffassung der Mannschaften vom Drillsolle der
Offizier entgegenwirken.

Engler erzählt von einem Feldwebel, der seine Leute morgens um 3.00 Uhr aus den
Betten jagte, sie Betten machen und aufeinanderstellen ließ, um dann festzustellen,
daß sie nicht richtig gemacht seien: Herunter damit! Wieder gemacht. Wieder herunter
! Nochmals gemacht So ging es weiter, bis es Zeit war zum Antretend

Wollte man den jungen Deutschen im Militär einfach das Rückgrat brechen, den
aufrechten Gang nehmen? Hat Christian Graf von Krockow vielleicht doch recht,
wenn er die Deutschen im Kaiserreich eine „Gesellschaft ohne Selbstbewußtsein"
nennt, von der Uniform aufrecht gehalten?9

Der Kaiserstühler Engler war Protestant und Sozialdemokrat. Von einem Katholiken
aus einer Zentrumsfamilie, aus Kappel (das heute zu Freiburg gehört), stammen
Erinnerungen an die Zeit als Rekrut und Soldat in den Jahren 1908/09. Der Schwarzwälder
kam zur Ausbildung nach Karlsruhe, Besorgt hatte die Mutter, Kleinbauernwitwe
, dem scheidenden Sohn das Bild des Vaters gezeigt und ihm eingeschärft:

Schau: Dein Vater hat drei Jahre lang als schmucker Dragoner dem Vaterland gedient
. Davon hat er das letzte Dienstjahr bei seinem nach Berlin abkommandierten
Hauptmann als Bursche Zimmer- und Ausgangsdienste verrichten müssen. Manches
Sitten- und Glaubensgefährliche ist bei diesen Gängen an ihn herangetreten. Er ist
aber dennoch der Tugend und dem Glauben treu geblieben und rein mit mir in den
Ehestand getreten. Von dir erwarten wir dieselbe Charakterfestigkeit während deines
nun beginnenden Soldatenlebens.10

Von seinem ersten Rekrutenerlebnis erzählt er (von sich in der 3. Person):

Schon gleich bei der Einkleidung in der Kaserne wurde er einer Probe militärischen
Gehorsams unterworfen. Beim Verpassen des ihm hingeworfenen Soldatenrocks
machte er die vorlaute Feststellung, daß dieser ihm viel zu eng wäre, denn er brachte
mit aller Mühe die Knöpfe nicht in die Schlitzlöcher. Der Kammerfeldwebel aber
glotzte ihn an und schrie fürchterlich: „Was meinst du, wer du bist ? Der Rock sei
dir zu eng ? Der Rock paßt fein!if Dabei knüpfte er ihm mit aller Gewalt die untersten

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