Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 465,da
Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
111.1992
Seite: 148
(PDF, 29 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1992/0150
die „Dreililienwirtschaft" in Karlsruhe verführen, ein Haus für leichte Mädchen.
Das ruinierte ihn ganz, er magerte ab? wurde schlapp und verkaufte sogar sein Kom-
misbrot, um aus dem Erlös seiner Leidenschaft nachgehen zu können.

Hier ist eine Zwischenbilanz angebracht. Militärischer Alltag im Kaiserreich, das
bedeutete aus der Sicht badischer Soldaten Drill, Gehorsam, Schikanen, scharfe Disziplin
, aber auch Stubenkameradschaft, Anspruchslosigkeit, billige Vergnügen (Bier
und Bordell), Militaristische Gesinnung, Chauvinismus, Kriegslüsternheit und was
man dem Wilhelminischen Deutschland an imperialistischer Gesinnung unterstellt,
konnte ich so nicht finden. Die Kriegervereinslieder sind freilich auch nicht ganz frei
davon. Insgesamt ist das Bild in den regionalen Zeugnissen doch ähnlich dem, was
Thomas Rohkrämer in seiner Arbeit über „Das Leben in der Armee" skizziert. Dort
und in dem Band von Wolfgang R. Vogt „Militär als Lebenswelt" ist das Bild pointierter
, hier konkreter, lebendiger.14 Was auch bei Sozialdemokraten und Christdemokraten
(d. h. im Zentrum) nicht bestritten wird, ist die Legitimität des Waffendienstes
. Die pazifistischen Aktionen Ende Juli 1914 sind von den Parteien offiziell
zurückgewiesen worden, Bei Ausbruch des Krieges meldete sich Ludwig Frank (gebürtig
aus Nonnenweier in der Ortenau), neben Wilhelm Kolb der am meisten geachtete
SPD-Führer in Baden? als einer der ersten freiwillig (als Mitglied des Reichstags)
an die Front, in der Hoffnung, durch den patriotischen Einsatz die volle Gleichberechtigung
als Sozialdemokrat — und als Jude, der er war — zu erreichen: Jetzt ist
für mich der einzig mögliche Platz in der Linie in Reih und Glied, und ich gehe wie
alle anderen ß'eudig und siegessicher,15 schrieb er in einem Brief vom 23. 8, 1914.
Elf Tage später war er tot, gefallen in einem lothringischen Dorf. Übrigens war ihm
wie andern jüdischen Soldaten (z. B. dem späteren badischen Innenminister Haas) im
badischen Militär trotz des Dienstes als „Einjähriger" die Beförderung zum Reserveoffizier
verweigert worden. Selbst im Krieg übertrug man auch tüchtigen Juden nur
ungern ein Kommando.

Die Stimmung bei Kriegsausbruch war unter Soldaten wie Zivilisten die gleiche:
begeistert. Hier wie anderswo trugen die Züge zur Front fröhliche Aufschriften: „Wir
treffen uns in Paris bei Madelainel'4 Der Berliner Schriftsteller Ernst Glaeser erlebte
Anfang August den Freiburger Hauptbahnhof. Er erzählt: Als wir in Freiburg einfuhren
, schäumte der Bahnsteig von Stimmen. Studenten in phantastischen Jacken
sprangen mit Gesang auf den Zug . . . Soldaten, in deren Gewehrläufen Rosensträuße
staken, wurden beschenkt, als hätten sie Geburtstag ... In den breit geöffneten Türen
der Viehwagen hingen wie ein Bündel brauner Früchte lachende runde Soldatengesichter
. Die Wagen wogten in Laub und Fahnen, ihre Fronten waren mit Kreide übermalt
.. . An den Abteilen der Offiziere hingen sogar kleine Birken mit sehr bunten
Bändern geschmückt, manchmal mit einer Wurst. Alle Menschen lachten, am meisten
die Soldaten, Fuhren sie in die Ferien oder auf eine Kirmes ? A Is unser Zug anzog
und in sanfter Eile den Bahnhof verließ, intonierte die Musikkapelle: „Deutschland,
Deutschland über alles " Dröhnend fiel die Menge ein ... Vorne neben dem Klosett
sangen die Soldaten: „Kein schönrer Tod ist auf der Welt, als wer vom Feind erschla-
gen ..." Der Zug mündete in die getreideschweren Acker Badens. Aus allen Städten
und Dörfern stieg Jubel.16

Wenige Wochen später: Von der Front kamen die Todesmeldungen, und natürlich

148


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1992/0150