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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
111.1992
Seite: 149
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1992/0151
die Briefe, die von Heldenmut und Angst und von Enttäuschung berichteten. Der
Freiburger Germanist Witkop sammelte bereits in den ersten Kriegsjahren Briefe gefallener
Studenten. Seine Edition wurde in der Weimarer Zeit fast zum Bestseller. Da
schrieb ein Freiburger, der mit 21 Jahren den „Heldentod" starb, kurz zuvor im Dezember
1914: Das ganze Leben hier im Felde durchdringt ein erhabener Ernst. Der
Tod ist täglicher Genosse, der alles weiht.11 Ein anderer, gebürtiger Schwarzwälder,
läßt im März 1915 seine Eltern wissen: Jetzt muß sich jeder auf den Tod gefaßt machen
, in welcher Form er immer kommen mag. Man hat hier oben zwei Soldatenfriedhöfe
anlegen müssen, so viele Verluste hatten wir. Ich sollte euch das nicht schreiben,
tue es aber doch, wenn Ihr womöglich anders denkt über Zeitungsberichte, die nur
von Vorteilen reden, aber nichts sagen von dem Blut, das geflossen, von dem Jammergeschrei
, das ungehört verhallt. Die Zeitung berichtet auch nicht davon, wie die
„Helden " bestattet werden ... Hier oben aber ist es ein Jammer, wenn man die Gefallenen
über die Schützengräben wirft und liegen läßt, oder die durch Granaten Verschütteten
vollends zudeckt mit Schutt.18 Drei Wochen später war auch er unter den
Toten.

Soldatsein im Weltkrieg brachte die Erfahrung, daß die Waffe wichtiger wurde als
der Soldat, und das Kriegsgerät Vorrang bekam vor dem Menschen. Am Beispiel des
schweren MGs erlebte der Bauernsohn aus Kappel: Das Laden dieser Mordwaffe
mußte mit einer Fingelfertigkeit so eingeübt werden, daß man es beinahe schlafend
im Griff hatte. Was das Exerzieren mit diesem eisernen Kasten betraf war es äußerst
schwierig, besonders bei schlechtem Wetter, weil man immer wieder mit den langen
Rohrstiefeln im klebrigen Lehmboden stecken blieb. Vier Kameraden mußten jeweils
miteinander das zentnerschwere Maschinengewehr auf den Schultern tragen und so
im Gleichschritt marschieren, was reichlich Schweiß kostete. Gewöhnlich kam dann
noch der Befehl: Singen. Dadurch erlitten die Träger dieses Ungetüms unter ihren
Gasmasken eine solche Atemnot, daß sie glaubten, jetzt ersticken zu müssen.

Um den Maschinengewehrschützen die Notwendigkeit solch schwerer Übungen
glaubwürdig zu machen, wurde ihnen vom Ausbildungspersonal beständig eingehämmert
: Der Einsatz dieser Mordwaffen an der Front sei die einzige Möglichkeit, um
den Krieg zu gewinnen; darum müsse dieses Gewehr immer sorgfältig gepflegt und
tadellos instand gehalten werden. Dieses Getue an diesem Gewehr kam Johannes
hernach wie eine Art Götzendienst vor. Für die Erhaltung seiner Gebrauchsfähigkeit
wurde hundertmal besser gesorgt als für die Gesundheit und das Leben der es bedienenden
Soldaten. Wenn einer von diesen dienstunfähig wurde oder den Tod erlitt,
brauchte die Militärbehörde nur eine Karte zur Einberufung zu schreiben, und schon
war der Ersatzmann da ...19

Eine andere Erfahrung der Soldaten im Krieg war das Leiden der Zivil-Bevölkerung
im Kampfgebiet. Der Gewährsmann aus dem Kaiserstuhl, inzwischen Geschäftsführer
des Freiburger Milchhofe, war im Sommer 1915 an der Ostfront, in Ga-
lizien. Vom August des Jahres berichtet er von Flüchtlingstrecks aus den Dörfern:
Kleine Wagen, von Kühen gezogen, Kleinkinder in Tüchern seitlich an den Wagen
gehängt, Frauen und Kinder immer barfuß. Auf einem Wagen, so schreibt er, zählte
ich Großvater, Großmutter und noch eine alte Frau, dazu noch die Mutter und 10 Kinder
. Es waren Elendsbilder, die uns ans Herz griffen. Zum drittenmal schon ging der

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