Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 465,da
Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
111.1992
Seite: 165
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ristische Aktion, zu einem neuen Konzept zusammen: „In dem Moment, wo die
Masse des Volkes begriffen hat, was jeder geschulte Sozialdemokrat versteht, daß
heutzutage Kriege bloß einzig und allein zum Nutzen und Frommen einer kleinen
Handvoll kapitalistischer Glücksjäger und Ausbeuter geführt werden, daß die große
Masse in jeder Hinsicht das Opfer des Militarismus ist, wenn die gewaltige Volksmasse
das bloß begriffen hat, so wird diese Idee in der Masse zu einer solchen politischen
Gewalt werden, daß vor ihr alle Bajonette zusammenbrechen werden."

Der Kampf

Der an zentraler Stelle der Rede verwendete Begriff der „politischen Gewalt" die
den Militarismus zu zerschlagen vermöge, deutet einen neuartigen Aspekt der Luxemburgischen
Militarismuskritik an und damit die besondere programmatische Bedeutung
von Freiburg: die antimilitaristische Aktion.

Aus ihrer Erfahrung mit dem Frankfurter Strafprozeß hatte Rosa Luxemburg nicht
nur weitreichende Erkenntnisse für die theoretische Erklärung des Militarismus gewonnen
, sondern erstmals auch gangbare Ansätze für dessen praktische Bekämpfung.
Bisher waren ihre Folgerungen rein spekulativ geblieben und hatten sich in Einsichten
erschöpft wie: „Wenn wir [.. .] für den Frieden kämpfen, kämpfen wir damit gegen
die kapitalistische Klasse und für das soziale Endziel."58 Vor dem Hintergrund
ihrer persönlichen Erfahrungen mit der preußischen Justiz begreift Luxemburg jetzt
in Freiburg, wie der antimilitaristische Kampf pragmatisch umgesetzt werden könnte.

Die wechselseitige Abhängigkeit von Klassensystem und Militarismus, auf die alle
analytischen Ansätze der Rede hinauslaufen, macht im Verständnis Rosa Luxemburgs
nicht nur deren Stärke, sondern in besonderem Maße auch deren Schwäche aus.
Denn wenn eines der beiden Elemente dieser Symbiose angreifbar werde, breche mit
ihm auch das jeweils andere zusammen, Die Hysterie des Staatsanwaltes im Frank-
furter Prozeß betrachtet die Rednerin als eine Bestätigung dieser Auffassung: Sein
wiederkehrendes Abheben darauf, daß das, „was die Angeklagte mit ihrer Agitation
gegen den Krieg getan hat, ein Angriff auf den Lebensnerv unseres Staates" sei, belegt
ihrer Meinung nach geradezu die Richtigkeit der antimilitaristischen Schlagrichtung
. Denn wenn, wie Rosa Luxemburg es theoretisch erarbeitet und der Staat in
Form seines Anwaltes zu bestätigen scheint, bereits ein verbaler sozialdemokratischer
Angriff, vereinzelt vorgetragen von einer Frau ohne Stimmrecht, eine „Erschütterung
für das Fundament der militaristischen Kraft Deutschlands" darstellt, so
gilt tatsächlich, daß das „herrschende System [, . .] in seinem Innern bereits morsch,
von der Angst zerfressen, bereits feige geworden ist", Eine staatliche Ordnung aber,
die durch den Mund ihrer Justiz von sich selbst „sagt, daß sie nur noch auf die Bajonette
sich stützt", eine solche Ordnung „hat nichts anderes als ein Todesurteil über
sich ausgesprochen". Damit jedoch habe sie eine Offenbarung geleistet, „die für uns
von unschätzbarem Werte ist. Denn hier hat sich gezeigt in dieser Schilderung, daß
das herrschende militaristische System dasjenige verloren hat, was die wirkliche
Bürgschaft jedes Sieges ist: es hat verloren den Glauben an sich selbst." Damit aber
bekundet es nach Ansicht Luxemburgs gleichzeitig seine Besiegbarkeit und eine beispiellose
Chance für den sozialdemokratischen Triumph: „Ist nicht jedes Wort des

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