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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
111.1992
Seite: 173
(PDF, 29 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1992/0175
,Regenwürmenf, d.h. ein Kämpfen um sukzesive [sie] Erfolge, Für die Arbeiter sind
die bisherigen Erfolge unserer Gemeindepolitik, auch wenn sie ihren Wünschen noch
lange nicht entsprechen, eben keine bloßen ,Regenwürmer'." Letztlich sei es nicht die
schrittweise Arbeit der SPD in den Parlamenten, die das sozialistische Endziel aus
den Augen verliere, sondern der kompromißlose Radikalismus, der für die proletarische
Klasse, die er vorgibt zu vertreten, rein gar nichts zu bewirken imstande sei.
„Die von der Genossin Luxemburg u, a. verfochtene Taktik führt zur politischen Abstinenz
unserer Partei und damit zur fortdauernden Herrschaft der Reaktion "

Die Fronten zwischen den durch Engler und Kolb repräsentierten badischen Sozialdemokraten
einerseits und Rosa Luxemburg andererseits waren klar gezogen und
konnten auch durch die gemeinsamen Aktionen im Februar 1914 nicht durchbrochen
werden. Beide Seiten versprachen sich, so unversöhnlich ihre Standpunkte auch waren
, von den Protestversammlungen in Baden eigene Erfolge. Insbesondere Engler
und seine Freiburger Parteifreunde96 brauchten das Redewunder aus Berlin als Mo™
tor für die örtliche Partei- und Öffentlichkeitsarbeit, denn nach der Roten Woche
standen 1914 in Freiburg sowohl die Gemeinderatswahlen als auch die Ausrichtung
des badischen SPD-Landesparteitages auf dem Programm.97 Rosa Luxemburg ihrerseits
fühlte sich durch den Redeort Freiburg offenbar besonders inspiriert, um durch
eine bewußt kompromißlose Kampfansage an die herrschende Ordnung und ihre,
Nutznießer das in ihren Augen schändliche Tun der badischen Abweichler vor der
Mitgliederbasis zu konterkarieren und so vielleicht dazu beizutragen, die badische
Parteiführung auf den rechten Pfad der klassenkämpferischen Tugend zurückzuführen
.

Verfolgten beide Seiten auf ihre Weise verschiedene Ziele mit der Freiburger Veranstaltung
, blieb Rosa Luxemburg doch der Erfolg versagt. Schon lange war es nicht
mehr nur die badische SPD, die sich vom radikal-marxistischen Kurs entfernt hatte.
Auch der Rest der Sozialdemokratie schwenkte mehr und mehr auf die revisionistische
Linie ein. Beredtes Beispiel und zugleich folgenschwerer Kristallisationspunkt
des neuen Kurses war die Zustimmung zu den Kriegskrediten durch die sozialdemokratische
Reichtstagsfraktion am 4. August 1914, drei Tage nach der deutschen
Kriegserklärung an Rußland und nicht einmal fünf Monate nach der umjubelten Antimilitarismus
-Rede Rosa Luxemburgs in Freiburg. Dort, in Freiburg, zahlte sich hingegen
der Auftritt Rosa Luxemburgs, wenn wir ihn im Zusammenhang mit der Roten
Agitationswoche betrachten, für die SPD in nicht unwesentlichem Maße aus. Bis zum
20, März hatte die Werbeaktion in der Stadt 245 neue Mitglieder und ca. 250 zusätzliche
Abonnenten der „Volkswacht" eingebracht. In Karlsruhe waren es etwa 500 Mitglieder
, 400 in Pforzheim, in Konstanz dagegen nur 126, Auch in Baden-Bühl (150
neue Mitglieder), Donaueschingen (116) und in Kehl-Offenburg (102) hatte die Rote
Woche eine mobilisierende Wirkung gehabt. In der Industriestadt Mannheim traten
sogar 2800 Interessenten der Partei neu bei, 500 mehr als im gesamten Gebiet von
Württemberg. In den etwa 100 deutschen Wahlkreisen, in denen die Rote Woche stattgefunden
hatte, verzeichnete die SPD nach eigenen Angaben einen Zulauf von insgesamt
66 300 neuen Mitgliedern und 53 100 neuen Abonnenten für ihre Presseorgane
.98

Die Rede Rosa Luxemburgs in Freiburg kann auf vielerlei Weise betrachtet, inter-

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