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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
111.1992
Seite: 191
(PDF, 29 MB)
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zu dürfen. Die Mehrzahl fristete ihr Leben in allen möglichen Unterkünften, die bei
Bedarf schnell zu Lagern gemacht wurden.

Das konnten Klassenzimmer sein wie in Mannheim, wo 16 Schulen zu Ausländerund
Konzentrationslagern zweckentfremdet wurden.51 Das konnten die Säle von
Gasthäusern sein wie in Offenburg, wo in der Michelhalle Italiener, in der Schank-
stube der Landwirtschaftlichen Halle und im Saal des Bären französische Kriegsgefangene
einquartiert wurden.52 Oder man richtete ein Nebenhäuschen eines Bauernhofs
her wie in Eimeidingen für die polnischen Kriegsgefangenen.53 Oft waren es
auch leerstehende Fabrikanlagen oder andere ungenutzte Gebäude, in denen die Ausländer
einquartiert wurden.54 Waren größere Gruppen von Ausländern unterzubringen
, wurde ein eigenes Barackenlager gebaut, so etwa in Friedrichshafen, wo die
Ausländer der Dornier-Werke in sieben verschiedenen Lagern lebten, deren größtes
bei Kriegsende aus 63 Baracken bestand.55 In der Regel errichteten größere Firmen
ihre eigenen Lager, oder die Gemeinden bauten Sammellager für die Firmen am Ort,
Der Bau und Betrieb des Lagers war ein Posten des außerordentlichen Haushalts, mit
dem sich Uberschüsse erzielen ließen, weil die Firmen die Kosten des Lagers an die
Gemeindeverwaltungen zurückzahlten. Die Stadtverwaltung von Offenburg beispielsweise
rechnete mit der Amortisation ihrer Ausgaben für das Westarbeiterlager auf der
Kronenwiese in drei Jahren und für 1944 mit einem Gewinn von 40000 Mark.56
Nur der Kriegsverlauf machte diese Rechnung zur Makulatur.

Wie sah der Alltag in diesen Lagern aus? Enge, überfüllte Stuben, in denen 20
Mann, Russen auch bis zu 36 Mann, in doppel- und dreistöckige Betten gepfercht waren
. Bescheidene Einrichtungen: ein Tisch, Stühle und Bänke, ein Spind, mehr gab
es nicht. Als Wohnung war diese Unterkunft nicht zu bezeichnen, aber das war gar
nicht beabsichtigt. „Im Lager wird nicht gewohnt", schreibt Vitalij Sjomin, yfdus Lager
ist die Fortsetzung der Fabrik. Der Mensch arbeitet in der Fabrik, dann wird er
ins Lager befördert, damit er sich wieder für die Arbeit rüsten kann. Er erhält und
verzehrt seine Ration, liegt auf der Pritsche und hegt die wahnsinnige, endlos aufgestachelte
Hoffnung, irgendwo eine Zigarettenkippe auftreiben und den Tabaksqualm
in die Lungen einzusaugen."51 Und dann die hygienischen Verhältnisse, die
meist katastrophal waren: überall Läuse, Flöhe und Wanzen, so daß, wer Gelegenheit
dazu hatte, es vorzog, in abgestellten Eisenbahnwagen oder im Freien zu schlafen,
um dem Ungeziefer zu entgehen.58

Am unerträglichsten waren die Lebensverhältnisse in den Lagern für die russischen
Arbeiter und Arbeiterinnen. Im August 1942 besichtigte der Freiburger Amtsarzt das
Russenlager in der Habsbürgerstraße, in dem damals 160 Menschen hausten. In einem
Gutachten schilderte er die hygienischen Verhältnisse, die dort herrschten: Die
Leute besaßen nur die Kleider, die sie am Leib trugen, auch zur Arbeit. Sie litten
unter Läusen und Flöhen, die bei vielen Hautkrankheiten verursacht hatten. Die
Waschgelegenheiten waren völlig unzureichend, weshalb sich die meisten nebenan im
Gewerbekanal wuschen. Es standen nur 3 Toiletten zur Verfügung, die jeden Morgen
völlig verunreinigt waren. In der Küche fehlten Kochkessel, die Köche trugen keine
Arbeitskleidung, noch nicht einmal eine Schürze. Deshalb war der Krankenstand
überdurchschnittlich — trotzdem war kein Arztzimmer vorhanden: die Kranken wurden
im Büro des Lagerverwalters untersucht.59

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