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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
111.1992
Seite: 192
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Russen kamen grundsätzlich nur in größere Sammellager und blieben von der deutschen
Bevölkerung und den anderen Ausländern abgesondert. Im Gegensatz zu den
Arbeitern aus den westlichen Staaten war es ihnen nicht erlaubt, Gasthäuser und Kinos
zu besuchen. Wie für die Polen galt auch für sie die Ausgangssperre, nur zweimal
im Monat konnten sie am Sonntagnachmittag das Lager für einige Stunden verlassen.
Am Morgen wurden sie von bewaffneten Wachmannschaften vom Lager zur Arbeit
geführt und mußten, wenn sie keine Spät- oder Nachtschicht hatten, bis 21 Uhr im
Lager zurück sein,60 Es bedarf keiner großen Phantasie, sich vorzustellen, welche
Auswirkungen diese Zustände auf das körperliche und seelische Befinden der Insassen
solcher Lager hatten.

Deutsche und Ausländer

Die Arbeiter aus dem Westen hatten zwar freien Ausgang und wurden in der Regel
in Wirtschaften oder bei kulturellen Veranstaltungen geduldet, aber es war ihnen verboten
, den Landkreis, für den sie ihre Aufenthaltserlaubnis erhalten hatten, zu verlassen
. Sie durften nur zwei — überdies zensierte — Briefe im Monat nach Hause
schreiben. Immerhin galten für sie höhere Verpflegungssätze als für die russischen
Arbeiten aber das Essen in den Lagern war monoton und arm an Nährstoffen. Am
besten konnte sich ernähren, wer unregelmäßige Arbeitszeiten hatte, Schichtarbeit in
Betrieben oder Fahrdienst bei der Bahn; Er erhielt die für Deutsche üblichen Lebensmittelmarken
und konnte sich selbst verpflegen.61

Die Lager der Westarbeiter waren nicht bewacht, und so verbrachten sie ihre Freizeit
mit Ausflügen in die Umgebung, in Wirtschaften, im Kino, im Schwimmbad und
in der Badeanstalt. Oder mit Musizieren, Wie viele ihrer Landsleute hatten einige
Holländer in Offenburg von zu Hause Musikinstrumente mitgebracht: eine Gitarre,
eine Klarinette, eine Mundharmonika und eine Trommel. An einem Sonntag besuchten
sie ein Restaurant, in dem deutsche Offiziere verkehrten. Auf dem Podium stand
ein Klavier, die Musiker erhielten die Erlaubnis, Tanzmusik zu spielen, Ihre Kollegen
tranken Wein, die Musiker spielten zunächst nur deutsche Lieder, aber schnell wurden
sie kühner und intonierten In the Moods den Tiger Rag und andere Jazz-Stan-
dards. Bald begannen die Gäste, mit den Füßen den Rhythmus zu stampfen. Aber
nicht lange; ein Feldwebel stand auf und schrie: „Hinaus mit der Negermusik!" Damit
war die Session zu Ende. Der Wirt drohte den Musikern mit der Polizei und warf
sie hinaus — die Rechnung blieb offen, der Zwischenfall glücklicherweise ohne ernstere
Folgen.62

Wie sich das Verhältnis zwischen Zwangsarbeitern und Einheimischen letztlich gestaltete
, hing von einer Reihe von Faktoren ab. In der Regel war es dort am besten,
wo Einzelne sich begegneten. Vitalij Sjomin über seine eigenen Erfahrungen und die
seiner Kameraden: SiIn Deutschland war es dort leichter, wo weniger Menschen waren
. Wenn man einander öfter in die Äugen blickt, bekommt man endlich Lust, dem
anderen auch mal zuzulächeln, ihn nach etwas zu fragen, sein Lächeln zu erwidern.
Und die Folgen entgleiten dann bald der Kontrolle. "63

Am verlangten Abstand zu den Ausländern ließen es die Volksgenossen häufig fehlen
; viele Geistliche machten keinen Unterschied zwischen russischen, polnischen
oder deutschen Christen. Der katholische Pfarrer Weitzel aus Staufen erhielt drei-

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