Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 465,da
Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
111.1992
Seite: 206
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1992/0208
Eberhard NaUJOKS, Stadt und Industrialisierung in Baden und Württemberg bis zum Ersten
Weltkrieg (1800-1914), Heft l Bühl/Baden 1981

Nach dem oberen Neckarraum untersucht E. Naujoks nun den Industrialisierungsprozeß im
Großherzogtum Baden und im Königreich Württemberg. Die unterschiedliche politische Ausgangslage
hat neben vielen anderen Faktoren den Rhythmus der Entwicklung bestimmt, in
welchem sich die Industrialisierung zuerst im liberaleren Baden, dann in Württemberg vollzog
, wie Naujoks zunächst darlegt. Wichtige Impulse erhielt die Industrialisierung durch einen
Innovationsschub im Gefolge der Kontinentalsperre, die jedoch bald gebremst wurden
durch Schwierigkeiten in der Kreditbeschaffung, unzureichende Verkehrserschließung und restriktive
Gewerbepolitik. Erst nach dem Eintritt in den Zollverein setzte sich die Entwicklung
fort, In Württemberg war das Gewerbe aufgrund des landwirtschaftlichen Defizits stärker ausgebildet
(29); daher traf die schwere Krise nach 1847 Württemberg mit seinen vielen Klein-
und Mittelbetrieben stärker als Baden. Mehrere Faktoren mußten zusammenkommen, um den
Take-off in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu ermöglichen: die Einführung der Gewerbefreiheit
1862, das Freizügigkeitsgesetz, eine Vielzahl von technischen Erfindungen und
nicht zuletzt die Verkehrserschließung durch Eisenbahn und Dampfschiff. Nach dem Ubergang
vom manuellen zum maschinellen Betrieb nahm die Industrialisierung eine Dynamik an,
die die Mentalität der Biedermeierzeit schnell verschwinden ließ. Wirtschaftsliberalismus
prägte das Großherzogtum, so daß sich der Abstand zum eher konservativen Königreich vergrößerte
. Bis zum Ersten Weltkrieg war der Vorsprung Badens jedoch aufgeholt (114). Vom
Großen zum Kleinen — im zweiten Teil zeigt E. Naujoks exemplarisch an einigen herausragenden
Industriestädten, wie deren Gewerbe- und Wirtschaftsentwicklung von einem vielfältigen
Beziehungsgeflecht — Wachstum der Bevölkerung, Wanderungsbewegung vom Land zur
Stadt usw. — beeinflußt wurde.

In Baden wuchs Mannheim zur führenden Industriestadt heran, begünstigt durch seine Verkehrslage
am Rhein. Industrie und Handel blühten, aus der einstigen „Gartenstadt" wurde
eine Arbeiterstadt (58), die vor dem Ersten Weltkrieg die höchste Zahl von Arbeitern in der
Industrie beschäftigte. Gut die Hälfte dieses Potentials, 24 100, erreichte Pforzheim, das mit
seiner Uhren- und Schmuckindustrie einen Sonderweg ging. Obwohl deren Produkte wegen
ihres Luxuscharakters (65) besonders krisenanfällig waren, wurde nach der Umstellung auf
maschinellen Betrieb und der Verwendung des (billigeren) Dublee statt Münzgold ein ständiges
Wachstum erreicht. Der Süden blieb weit hinter dem Norden Badens zurück. Selbst die
Residenzstadt Karlsruhe weist zur selben Zeit nur eine Arbeiterschaft von 16 100 auf, obwohl
sie ebenfalls um ein Vielfaches angewachsen war. Weder Beamtenstadt (74) noch Industriestadt
— sie blieb Landeshauptstadt mit zentralen Funktionen (72), Freiburg als größter Hauptproduktionsort
Südbadens — Uhren und Textil — beschäftigte vor dem Ersten Weltkrieg jedoch
nur 5120 Arbeiten Ob die Universitätsstadt nach dem Zweiten Weltkrieg wirklich „eine
Industriestadt im modernen Sinne geworden ist" (76), wäre zu überprüfen.

In Württemberg verursachte die rasante Entwicklung des Umschlagplatzes Mannheim die
Umwandlung Heilbronns von einer Handels- zu einer Industriestadt; der einst für Württemberg
wichtigste Neckarhafen geriet in Rückgang. Erst in den 90er Jahren brachte der Kraftfahrzeugbau
(83) den Aufechwung. In Esslingen setzte die Hochkonjunktur der Textil- und
Metallfabriken wie auch der bekannten Maschinenfabrik nach der Gründerkrise um 1885 ein
(91). Anders bei Heidenheim, einer kleinen Stadt im toten Winkel, deren Textilfabriken —
später auch Maschinen- und Papierfabriken — erst nach der Anbindung an das Eisenbahnnetz
Mitte der 60er Jahre florierten (92). Zwanzigtausend Einwohner zählte die Residenz Stuttgart
um 1800; sie war aufgrund ihres ungünstigen Standorts noch weit davon entfernt, eine Industriemetropole
zu sein. Mit der 1848 entstandenen Zentralstelle für Gewerbe und Handel (101)
war der erste Schritt zur Förderung der Industrie getan. Ein ganz neuer Industriezweig ent-

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