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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1993/0051
Schauinsland —

ein Modename des Mittelalters?

Von

Bärbel Stocker

Schauinsland — der Name des Hausbergs von Freiburg scheint geradezu von der
Tourismuswerbung erdacht: als prägnant und ansprechend persönlich formulierte
Aufforderung an den „fortgeschritteneren" Touristen, nach dem Rundblick über die
Stadt vom Münsterturm aus nun auch von einem noch höher gelegenen Aussichtspunkt
das umliegende Land zwischen Schwarzwald und Vogesen bis hin zu den Alpen
zu überschauen — und dadurch ja vielleicht sogar einen tieferen Einblick „in"
das Land selbst zu gewinnen, dem er seine Urlaubszeit widmet. Empfindsamere Gemüter
mögen den Namen auch dem Zeitalter der Romantik zuordnen und den sprach-
liehen Imperativ als enthusiastische Äußerung eines gefühlvollen Naturerlebnisses
deuten — angesichts der sehnsuchterweckenden Weite des Ausblicks. Doch touristischer
wie romantischer Schein trügen: Der Schauinsland verdankt seinen anschaulichen
Namen weder einem findigen Touristikmanager des 20. Jahrhunderts noch
einem romantischen Seufzer, sondern einer originellen Mode des späten Mittelalters:
der Angewohnheit nämlich, alles und jeden anstatt mit einem gebräuchlichen einfachen
Namen gleich mit einem ganzen Satz zu benennen. So entstanden vom 12. bis
zum 17. Jahrhundert eine große Anzahl sogenannter „Satznamen", also Namen, die
im Grunde aus einem kurzen Satz oder Nebensatz mit zwei oder drei Wörtern bestehen
, die kurzerhand zu einem einzigen Substantiv zusammengerückt wurden.1

Begonnen hatte diese Namenmode im 12. Jahrhundert zuerst bei den Personennamen
Mit einer gehörigen Portion Volkswitz wurden meist die besonders auffälligen
Eigenschaften bestimmter Personen verbalisiert, die ihnen weiterhin als Rufnamen
hängenblieben. Diese Beinamen wurden durch Vererbung vom Vater auf den

■ *

Sohn oft zu festen Familiennamen. Alteste Namen dieses Typs sind z. B. Habenith
für einen armen Schlucker oder Küssenpfennig2 für einen, dem das Geld viel wert
war. Ebenso verfuhr man mit Tier- und Pflanzennamen, z.B. beim bekannten Vergißmeinnicht
*3

Im 13. Jahrhundert breitete sich diese Mode nach dem Vorbild der Personennamen
nun auch auf Ortsnamen aus und erreichte hier im 15./16. Jahrhundert ihren Höhepunkt
; Es entstand ein neuer Namensbereich, den M. Horst in einer 1990 veröffentlichten
Arbeit mit dem Titel „Ortsnamen vom Typus Schauinsland" 4 erstmals übersichtlich
nach Bildungsweise, Namenträgern und Bedeutungsbereichen gliedert. Die
überwiegend zwei- oder dreigliedrigen Satznamen sagen dabei meist etwas über die
Lage des bezeichneten Ortes (Kiek in de Elve), über seine militärische Bedeutung
(Trutzkaiser) oder über den wirtschaftlichen Ertrag (Füllscheuer, Hupfindenkeller),
manchmal warnen sie auch vor einer mit dem Ort zusammenhängenden Gefahr (Sieh-

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