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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1993/0096
Freiburg hat in den Auseinandersetzungen mit den nördlichen Mooswaldgemeinden
deren Gerechtsame auf ein dominium utile (Nutzung) reduziert. Dieses sollte von
dem städtischen Obereigentum (dominium directum) abhängen. Nicht die Nutzung
als solche sollte — vorerst — bestritten werden; der Stadt genügte zunächst die Anerkennung
ihrer obrigkeitlichen Gewalt über die umstrittenen Bezirke. Im Alltag bedeutete
dies für die Bauern, daß sie sich nun an die Reglementierungen zu halten hatten
, wie sie Freiburg während des 15. Jahrhunderts für die Waldnutzung zu
entwickeln begann. Was aber in den Kanzleien als eine Selbstverständlichkeit Eingang
gefunden hatte, blieb der ländlichen Rechtsauffessung noch lange fremd. Die
Frage des Obereigentums war zweitrangig, solange die uneingeschränkte Nutzung gewährleistet
war. Auf Schmälerungen des alten Herkommens, so notwendig diese aus
forstwirtschaftlicher Sicht auch waren, reagierten die Bauern empfindlich. Mit zeitlicher
Verzögerung wiederholte sich derselbe Prozeß in der Herrschaft Wildtal.

Ein beabsichtigter Nebeneffekt der Weideverleihung bestand in der Schaffung
schriftlicher Tatbestände in Angelegenheiten, in denen bisher mündlich überlieferte
Gewohnheiten, allenfalls unschriftliche Zeugnisse, das einzige Beweismaterial in
Streitfallen bildeten. Solche Zeugnisse konnten aber in einem einseitigen Akt errichtet
worden sein; blieb dieser dann unwidersprochen, so gewann das Faktum je länger
je mehr an Beweiskraft. Bei juristischen Streitigkeiten gaben die schriftlichen Belege
den Ausschlag, wie die Bauern von Gundelfingen in ihren Prozessen bald erfehren
mußten. Dem besser ausgebildeten städtischen Kanzlei- und Archivwesen hatten die
Dorfgerichte wenig entgegenzusetzen. Was die Landgemeinden zur Hand hatten, waren
alte Urkunden und Weistümer, mit denen konkrete Konflikte zwischen Grundherr
und Gemeinde entschieden worden waren. Die auf den abstrakten Normen des römischen
Rechts basierenden landesherrlichen Ansprüche auf die possessio ließen sich
damit weder begründen noch abwehren.

Aber solche Rechtsfragen gehörten ohnehin in die Zuständigkeit des Landesherrn.
Im 16. Jahrhundert begann der Aufstieg des frühmodernen Territorialstaates. Von der
mittelalterlichen Herrschaft unterschied er sich in erster Linie dadurch, daß sich die
Zuständigkeit des Fürsten möglichst homogen über ein geschlossenes Gebiet erstrecken
sollte und sich nicht mehr auf ein Konglomerat von einzelnen, verstreuten
Herrschafts- und Besitzrechten gründete. Bis zum Ende des Alten Reiches beschäftigten
das Reichskammergericht und den Reichshofrat Prozesse, die bei dem Auseinanderdividieren
der ineinander verzahnten Rechte entstanden waren. Eine merkliche
Beschleunigung hatte diese Entwicklung durch die Reformation erfahren. Kirchenaufsicht
und säkularisierte Kirchengüter stärkten Macht und Einfluß der protestantischen
Fürsten. Eine zentrale Behördenorganisation machte das Regieren effizienter,
allgemeingültige Verordnungen — gute policey — griffen regelnd in alle Lebensbereiche
der Untertanen ein. Diese „Verstaatlichung" läßt sich in dem Gundelfinger Waldkonflikt
an mehreren Stellen als ein Faktor fassen, der den Verlauf nährte und verschärfte
.

Zunächst sei hier an die von Freiburg 1543 neu eingeführten Leihemodalitäten erinnert
. Das von nun an geforderte Siegel der Obrigkeit signalisierte eine Entmündigung
des dörflichen Gerichts, das jetzt nur noch „bedingt geschäftsfähig" war.95 Gleichzeitig
wurden die Beziehungen zum Nachbarn zu einem hoheitlichen Akt, die Gren-

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