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das uns enger und fester mit der Menschheit verbindet! Meine Frau ist mir nun nicht
mehr bloß Gegenstand der Liebe, sondern zugleich der Ehrfurcht: ich sehe in ihr die
Mutter. Du würdest lachen, wenn Du mich jetzt in jedem freien Augenblicke bemüht
sähest, ihr jede häusliche Arbeit zu erleichtern, und ich möchte es um Vieles nicht
meiden. Meine Therese ist in Allem zärtlich für mich besorgt, sucht jedem meiner
Wünsche zuvorzukommen und beschäftigt sich mit der Haushaltung mehr als mir
lieb ist.

Später.

Oft ist es meine und meiner Frau süßeste Unterhaltung, den Regungen unseres Kindes
zu lauschen, das sich lebhaft und ich glaube bald seines engen Kerkers überdrüs™
sig bewegt. Es ist wahrlich ein eigenes Gefühl, die Elternliebe. Ich zähle schon jetzt
die Stunden, welche noch zwischen der Erfüllung meiner Wünsche liegen. Sie dienen
mir allenthalben zum Maßstabe, alles reiht sich daran, auch die Sorgen. Die Furcht,
es könnten Mutter oder Kind oder gar Beide unglücklich sein, beschleicht mich oft,
nicht selten wecke ich sie mir selbst, um nicht unvorbereitet zu sein. Ich zittere um
so mehr, je näher die Stunde der Entbindung heranrückt. Glaube aber ja nicht, daß
ich diese Furcht laut werden lasse; auch schwindet sie, wenn ich das ungestörte
Wohlsein und die blühende Farbe meiner Therese und besonders ihre Ruhe und ihre
freudige Zuversicht wahrnehme, mir ein gesundes Kind zu bringen, das Einzige, was
sie ihrer Aeußerung nach mir zu geben im Stande sei. Unsern gemeinschaftlichen Bemühungen
gelingt es meistens, alles Schwarze von der ersehnten Stunde abzustreifen
und nur das Erfreuliche zu sehen. Sobald ich aber wieder allein, oft auch mitten in
Geschäften bin, bricht das mühsam zusammengestoppelte Machwerk wieder ein, und
ich sehe nur um so trüber.

Den 17. Sept. morgens 10 Uhr.

Die gefürchtete und ersehnte Stunde ist glücklich vorübergegangen. Ein schöner,
kerngesunder Bube, unser Heinrich, ließ uns in einem Augenblicke alle Angst und
alle Schmerzen vergessen. Ich kann Dir nicht sagen, wie mir zumuthe war. Unbekannt
mit dem Gange einer Entbindung, glaubte ich Gefahr in dem steten Trösten der
Hebamme zu finden, da sich die Geburt einige Stunden verzog. Endlich unter den
heftigsten Jammertönen meiner Frau, plötzlich das Geschrei des Kindes, sein starkes
Zappeln und die Worte: „es ist ein Bub!4' Alles in einem Augenblicke. Der Ueber-
gang war zu schnell und zu stark. Ich verbarg meine Thränen am Halse meiner Frau,
die im seligsten Vergessen und Entzücken ausrief: „ach Gott, mein Kind; höre mein
Kind!"; dann in ein stilles Gebet versank, ich möchte sagen, mit verklärtem Gesichte.
Alles dieses wird mir ewig unvergeßlich sein. — Heinrich wird dieser Knabe heißen
und mir stete Erinnerung an Dich bleiben. Früh werde ich Dich zu seinem Vorbilde
machen!

Signatur: StadtAF, K 1/27/2, S. 90—91 Nr. 43. Abschrift. — Teilabdruck bei Strack
(wie Anm. 22) S. 451-452.

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