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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1993/0215
Karl-Heinz Braun, Hermann von Vicari und die Erzbischofswahlen in Baden. Ein Beitrag
zu seiner Biographie. (Forschungen zur oberrheinischen Landesgeschichte Bd. 35). Verlag
Karl Alber, Freiburg/München 1990. 354 S.

Die von Remigius Bäumer angeregte Freiburger theologische Dissertation von K.-H. Braun
hat es in besonderem Maße verdient, daß sie in die Reihe der Forschungen zur oberrheinischen
Landesgeschichte aufgenommen wurde. Braun gelang es mit seiner Arbeit, tiefere Zu-
sammenhänge der badischen Kirchen™ und Landesgeschichte im vergangenen Jahrhundert auf-
zuklären, aus denen sich der badische Kirchen- und Kulturkampf von innen her verstehen läßt.
Er trug ferner zu einer Revision der gängigen Einschätzung des Erzbischofs von Vicari bei,
der als „Athanasius der Freiburger Kirche" zu sehr heroisiert wurde. Braun rückte Maßstäbe
zurecht und fügte die regionalen Perspektiven der badischen Kirchenpolitik mit universalen
zusammen.

Braun hatte sich schon früh mit der Geschichte seiner Heimatdiözese befaßt und behandelte
in einer Examensarbeit 1978/79 die Priesterausbildung in den Anfangen des Freiburger Bistums
. Seine Studien in Rom erschlossen ihm den Zugang zu den Beständen der Vatikanischen
Archive zur hiesigen Bistumsgeschichte. Sorgfältig recherchierte Braun außerdem in den
kirchlichen Archiven von Köln, Mainz und Straßburg sowie in staatlichen und städtischen Archiven
des südwestdeutschen Raumes. Auf der Basis einer entsprechend detaillierten Quellen-
kenntnis legte er schließlich eine eingehende Analyse der personellen und strukturellen Zu™
sammenhänge bei den Erzbischofswahlen in Baden und der Kirchenpolitik von Vicaris vor.

Die einzelnen Elemente dieser Analyse sind um die Gestalt des Erzbischofs von Vicari gruppiert
, ohne daß daraus eine Biographie entstanden wäre. Man lernt freilich aus Brauns Darstellung
von Vicari, der von 1842 bis 1868 das Erzbistum leitete, als eine Persönlichkeit kennen,
der bei allem Talent die ausgesprochenen Führungsqualitäten ebenso fehlten wie das pastorale
Charisma („Wie von der Kanzel hielt er sich auch vom Beichtstuhl fern" berichtet von Vicaris
Hofkaplan Strehle, so Braun S. 25). Man erfahrt aus Brauns facettenreicher Darstellung ganz
unmittelbar, wieviele Leute sich in die Vorgänge um die Wahl von Vicaris zum Erzbischof und
mehr noch in die Vorsorge für seine Nachfolge (durch die Bemühungen um einen Koadjutor
für den greisen Oberhirten) einmischten, wie widersprüchlich die Argumente und Urteile ausfielen
, wie verstrickt das diplomatische Geflecht kirchlicher Personalpolitik überhaupt gewesen
ist. Dabei mag mancher, der sich die innerkirchlichen Entscheidungen als relativ rationale
Prozesse vorgestellt hat, über das Ausmaß an Intrigen, Machenschaften, verdeckten Interventionen
und wohl auch über die Mediokrität zahlreicher kirchlicher Amtsträger enttäuscht sein.
Von Vicari selbst, der ursprünglich als aufgeklärter „Josephiner" Wessenberg nahestand, entwickelte
sich im Alter (d. h. in seiner Amtszeit, denn er kam ja erst mit 69 Jahren auf den
Bischofsthron) zu einem eher starren und konserativen Kirchenfürsten, von Rom abhängig wie
auch von seinen engsten Beratern Strehle und Maas. Seine wiederholten Konflikte mit der
badischen Regierung waren wohl nur zum Teil Ausdruck kühner Selbstbehauptung einer universalen
Kirche gegen den staatlichen Omnipotenzanspruch.

Braun konzentriert seine Darstellung auf die Umstände, Interessen und Verflechtungen bei
den Bischofewahlen und geht dabei sowohl auf die Vorgänger wie auch auf die Nachfolger von
Vicaris ein. Bei seiner Blickrichtung konnte er das innere Leben der damaligen katholischen
Kirche Badens freilich nur implizit ansprechen. Es entsteht fast der Eindruck, im Freiburger
Ordinariat habe man sich damals vorwiegend um Stellenbesetzungen und Rechtsbeziehungen
zur Regierung gekümmert und wenig um die religiösen Bedürfnisse der Gläubigen, um die
Familien, die Schulen, das Kirchenvolk. Thomas Nipperdey hat in den vorliegenden Bänden
seiner „Deutschen Geschichte" nachdrücklich in Erinnerung gebracht, wie tief das gesamte
soziale, kulturelle und politische Leben der Menschen im 19. Jahrhundert von Religion und
Konfession geprägt und bestimmt war, Das gilt zweifellos in besonderem Maß für die badi-

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