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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1994/0151
Pulverdämpfe bei der Auferstehung

Freiburger Passionsspiele im 20. Jahrhundert

Von

Bernd Boll

Prolog: Jerusalem an der Dreisam

An einem verregneten Samstagnachmittag Mitte Juni 1921 pilgerten nahezu eintausend
Freiburger zur Breiten Wiese am Sandfangweg, wo innerhalb weniger Wochen
das antike Jerusalem auf einer Fläche von 100 auf 200 Metern als Theaterstadt wiedererstanden
war. Vor dem Haus des Kaiphas ließ sich jeder zweite Besucher als Statist
für die neugegründete Freilichtbühne engagieren. Danach besichtigten die angehenden
Schauspieler die Häuser und verwinkelten Gassen der Altstadt, den Palast des
Herodes, die Synagoge und den künstlichen Kalvarienberg, auf dem drei Kreuze in
den Himmel ragten.1

Am folgenden Montag begrüßte an der selben Stelle Harry Schäfer, Schauspieler
und Regisseur am Stadttheater, im Namen der Freilichtbühne Vertreter von Jugendorganisationen
, Vereinen, Wirtschaftsverbänden und der Presse. Der Berliner Bühnenbildner
Erich Aey, der die naturalistische Kulisse entworfen hatte, führte die Besucher
durch das Innere der Bauten, anschließend erläuterte Architekt Otto-Heinz
Ploch die von ihm konstruierte Zuschauertribüne.2 Mauern, Gebäude und Landschaftselemente
bestanden aus Holzgerüsten mit einer Verkleidung aus Rabitz. In die
Synagoge hatte die Orgelfabrik Überlingen eine Kirchenorgel mit 16 Registern eingebaut
, deren Klang mehrere Schalltrichter ins Freie leiteten. Die 150 Meter breite und
30 Meter tiefe Zuschauertribüne faßte mit 7 440 Sitzplätzen und 1 550 Stehplätzen
rund 9 000 Zuschauer. Diese in der Tat imponierende Anlage war unter dem Werbeslogan
„Größte Freilichtbühne der Welt" inzwischen zum Stadtgespräch geworden.3

Freiburg sollte künftig als Passionsspielort selbst der weltberühmten Konkurrenz
in den bayerischen Alpen den Rang ablaufen, wenn alle zwei Jahre „Das alte Oberammergauer
Passionsspiel", in den Jahren dazwischen andere monumentale und „für
Massenscenen geeignete" Dramen zur Aufführung kommen würden.4 Das hatte sich
jedenfalls ein Tourneetheater vorgenommen, das für sein Projekt eine Freiburger
Handelsfirma als Partner gewonnen hatte. Die Unternehmer erwarteten, wie sie der
Stadtverwaltung Anfang Februar 1921 mitgeteilt hatten, daß diese sie großzügig fördern
werde. Im Rathaus war man jedoch, nachdem der Stadtrat seine Zustimmung
von einer genauen Projektbeschreibung abhängig gemacht hatte, dem Unternehmen
zunächst nicht sonderlich wohlgesonnen.5 Andererseits wollte man aber angesichts
der ökonomischen Krise nach dem Krieg nicht leichtfertig die Chance zu einer wirtschaftlichen
Neuorientierung verspielen. Als Ort weltweit bekannter Passionsspiele

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