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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1994/0165
tete er sich^ der Freilichtbühne Chor und Statisten zu stellen und in eigener Verantwortung
zu entlohnen. An die Hauptdarsteller zahlte er Honorare und Gehälter, der
Direktion eine „angemessene Vergütung" für ihre Tätigkeit.54

Zur Saison 1922 gab die Festspielleitung eine Serie Notgeldscheine heraus, sechs
Bilder im Nennwert zu je einer Mark, die die Festspielkasse und das badische Reisebüro
in Freiburg bis zum 1. Oktober 1922 in Zahlung nahmen.55 Nachdem die Passionsspiele
nun unter der Flagge der „christlichen Liebestätigkeit" segelten und in
Anspruch nahmen, am „sittlichen Wiederaufbau unseres Volkes mitzuarbeiten", fielen
sogleich die Eintrittspreise. Am Pfingstsonntag? dem 4. Juni 1922? fand eine Aufführung
speziell für Vereine, Gewerkschaften und andere Organisationen statt, für die
der Eintritt auf allen Plätzen einheitlich 20 Mark kostete.56 Im Vorjahr hatte man
für Karten bis zu 120 Mark auf den Tisch gelegt, inzwischen waren jedoch die Lebenshaltungskosten
fast auf das vierfache gestiegen.57 Nicht mehr an wohlhabende
Touristen, sondern an die einheimische Bevölkerung richtete sich nun also das Angebot
der Freilichtbühne.

Aber auch die Demokratisierung vom Bühnenereignis für bürgerliche Weltenbummler
zum Volkstheater brachte für die Passionsspiele nicht die Rettung. Mitte
Juni meldete die Freiburger Tagespost, daß die Besucherzahlen noch immer zu wünschen
übrig ließen.58 Daran konnte auch der Stadtrat nichts mehr ändern, der Anfang
Juli die Vergnügungssteuer auf den Eintrittskarten „aus Billigkeitsgründen" zur
Hälfte erließ.59 Im September mußte der Bühnenvolksbund einräumen, daß während
der gesamten zweiten Spielzeit nur etwa 8 000 bis 10 000 Zuschauer die Aufführungen
besucht hatten. Auch wenn acht Spieltage wegen schlechten Wetters ausgefallen
waren, ließ sich das nachlassende Publikumsinteresse nicht länger leugnen. Der Erlös
aus den Eintrittskarten reichte längst nicht aus, die Kosten zu decken, im Gegenteil
, es waren Defizite entstanden, für die die Gebrüder Faßnacht aufzukommen
hatten.60

Der Versuch, in Freiburg die Tradition des Passionsspiels aus dem Geist des Kapitalismus
neu zu beleben, war endgültig gescheitert, Selbst die Anbindung an die
Wohlfahrtspflege hatte sich nicht als Rettungsanker erwiesen. Die Saison 1922 endete
mit einem Debakel. Es dürfte jedoch zu kurz greifen, allein die immer stärker beschleunigende
Inflation mit ihrem Gefolge von Not, Arbeitslosigkeit und Verarmung
breiter Schichten dafür verantwortlich zu machen. Denn im selben Jahr meldete
Oberammergau, wo zum ersten Mal seit Kriegsende wieder Festspiele stattfanden,
einen neuen Besucherrekord: von 225 000 Zuschauern im Jahre 1910 hatte sich ihre
Zahl auf 311 127 erhöht.61 Die Vermarktung der Freiburger Freilichtbühne im In-
und Ausland scheint der bayerischen Konkurrenz hoffnungslos unterlegen gewesen
zu sein: Wer die teure Reise plante, zog die bekannten und traditionsreichen Passionsspiele
in Oberammergau vor.

In aller Stille trug die Festspielleitung ihre Freilichtbühne zu Grabe. „Auf dem
Umwege über Karlsruhe," schrieb die Volkswacht Ende Oktober, „erfährt man, daß
sämtliche Einrichtungsgegenstände der Freiburger Freilichtbühne, auf der die Passionsspiele
aufgeführt wurden, zum Abbruch und Verkauf stehen."62 Die Leser der
Badischen Presse in Karlsruhe hatten schon eine Woche zuvor einer Annonce entnehmen
können, daß ein Bauunternehmen in der Nähe von Durlach Käufer für die Reste

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