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der Bühne „en bloc oder im Einzelnen" suchte.63 Das gesamte Baumaterial mochte
aber niemand haben. Es wurde deshalb Stück för Stück veräußert, so daß die Abrißarbeiten
sich bis zum Februar des folgenden Jahres hinzogen.64 Die Volkswacht sah
durch das vorzeitige Ende der Passionsspiele ihre anfänglichen Bedenken bestätigt
und erwartete von der Stadtverwaltung, daraus Lehren zu ziehen und über Schritte
zur Konsolidierung der Freiburger Wirtschaft nachzudenken: „Hoffentlich geht nun
die Stadt ernstlich dazu über, es mit der Ansiedlung von Industrie zu versuchen, um
das Wirtschaftsleben am hiesigen Platze zu heben/*65

„Das älteste Passionsspiel der Welt" — Der Film

Auch der Verfilmung der Freiburger Passionsspiele blieb, zumindest in Deutschland,
der große kommerzielle Erfolg versagt, obwohl biblische Stoffe, überhaupt Filme mit
christlicher Tendenz, nach dem 1. Weltkrieg Konjunktur hatten. Die zeitgenössische
Fachpresse erwähnt im Zusammenhang mit dem Freiburger Passionsfilm einen Heiland
-Film von Dr. Paul Lerch und einen weiteren aus dem Cines-Verlag? die möglicherweise
mit einem holländischen Bibel-Film und einem italienischen Epos mit dem
Titel Judas identisch waren.66

Neben Bergfilmen und Alltagsmärchen waren Stoffe mit christlicher Tendenz, die
individuelles Leid in den Rang eines Opfers för die gesamte Menschheit erhöhten,
eines der wichtigsten Genres, mit denen die deutsche Filmindustrie ein Identifikationsangebot
für ihr durch Wirtschaftskrise, Inflation und politische Instabilität verunsichertes
Publikum zu formulieren versuchte,67 Carl Froelich verfilmte 1920 ein
Fragment aus Dostojewskis Roman Die Brüder Karamaso\\\ während Robert Wiene,
der Regisseur des Dr. Caligari, zunächst den RASKOLNIKOW adaptierte und
schließlich 1923 mit LN.R.I. einen Passionsfilm mit Asta Nielsen, Henny Porten und
Werner Krauss in den Hauptrollen drehte.68

Im Sommer 1921 hatten auf der Freiburger Freilichtbühne die Dreharbeiten stattgefunden
. Mit der Regie hatten die Produzenten Gotthart und Schwobthaler den Exilrussen
Dimitri Buchowetzki beauftragt, der Anfang der zwanziger Jahre neben Fritz
Lang, Friedrich Murnau und Ernst Lubitsch zu den bekanntesten Filmregisseuren in
Deutschland zählte. Der 1885 in Rußland geborene Buchowetzki, der eine Ausbildung
zum Schauspieler und Regisseur am Moskauer Künstlertheater absolviert hatte,
war nach der Oktoberrevolution zunächst nach Polen emigriert. Dort fand er beim
Film Arbeit, ging aber 1918 nach Berlin. Sein Debüt als Regisseur mit ANITA JOE
im folgenden Jahr war künstlerisch und finanziell ein Mißerfolg, 1920 arbeitete er
an Carl Froelichs Dostojewski-Verfilmung mit, und 1921 schrieb er als Co-Autor am
Drehbuch för den Film DER STIER VON OLIVE ra. Buchowetzki versuchte, die Prinzipien
des Theaters von Max Reinhard auf die Leinwand zu übertragen und dem Monumentalstil
von Ernst Lubitsch eine eigene Bildauffessung gegenüberzustellen» Der
Durchbruch kam noch im selben Jahr mit der Verfilmung von Georg Büchners Drama
DANTONS Tod. Buchowetzkis ästhetische Bildauffassung zeichnete sich durch Stilisierung
der Handlung, geometrische und ökonomische Raumaufteilung, Ästhetizis-
mus, psychologische Eindeutigkeit der Personen sowie Licht- und Schattenwirkungen
aus.69

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