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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1994/0173
Saier im nordbadischen Otigheim inszenierten die Gebrüder Faßnacht in den Jahren
1925 und 1926 auf der dortigen Freilichtbühne eine eigene Passion, die sich von der
Freiburger hinsichtlich Text und Aufführung beträchtlich unterschied.95 Im Februar
1928 fuhren sie zum zweiten Mal in die Neue Welt.96 Von den Neuenglandstaaten
führte die Tournee in den Mittleren Westen und im folgenden Jahr bis nach San Antonio
in Texas, wo sie „8 Tage lang den Beifall einer täglichen Zuschauermenge von
8 000 Personen" fanden, wenn man einer Meldung aus den Staaten glauben darf. Von
Ende April bis Ende Juli 1929 wurden die „Freiburger Passionsspiele", wie sie sich
in den USA nannten, nach New York in das berühmte Hippodrome verpflichtet.97

Es sei demnächst ein „größerer Betrag zu Wohltätigkeitszwecken" zu erwarten,
falls die Stadt dem dortigen Bürgermeister James Walker „zur Eröffnung der Passionsspiele
ihre Grüße, Anerkennung und Dank" entbiete, war aus New York zu vernehmen
. „Im Hinblick auf die bekannten Vorteile, die Heidelberg aus seinen Amerikanischen
Beziehungen laufend zu verzeichnen hat", ging die Stadtverwaltung darauf
ein und übermittelte ihre Grüße und Hoffhungen auf „wechselseitige gute Beziehungen
zwischen alter und neuer Welt".98

Natürlich kam die wohltätige Spende aus Amerika niemals an. Die Freiburger
Grußadresse sollte lediglich der Stadtverwaltung von New York beweisen, daß die
Faßnachts die Bezeichnung „Freiburger Passionsspiele" zu Recht führten. Denn
schließlich verkauften sie sich in den Vereinigten Staaten ebenso als bodenständige
Freiburger, wie sie sich hier einst als waschechte Oberammergauer ausgegeben hatten
. Das Geheimnis ihres Erfolges in Nordamerika bestand nicht zuletzt in dem genau
auf eine dort weitverbreitete Mentalität berechneten marktgerechten Cocktail aus
sorglos kolportierten Geschichtstraditionen, Frömmelei und beinhartem Management
.

Kennzeichnend für die Öffentlichkeitsarbeit in den USA war ein Artikel in der
deutschsprachigen New Yorker Staatszeitung, die in der Ausgabe vom 28. April 1929
ihren Lesern „Die Entstehung der Freiburger Passionsspiele" folgendermaßen vorstellte
: Im Jahre 1150 hätten die Ratsherren zusammen mit Klosterbrüdern die Passionsspiele
eingeführt. Es habe bald auch eine Puppenspiel-Passion gegeben, aber da
der Freiburger Spieltext allmählich „entartet" sei, habe ein päpstliches Breve die Revision
der Spiel vorläge erzwungen. Das war frei erfunden, aber es kam noch dreister.
Im Jahre 1760, so ließen die Faßnachts weiter verbreiten, habe einer ihrer Vorfahren
vom Stadtrat das Spielprivileg erhalten. Eine familiäre Verbindung der Faßnachts zu
Freiburg bestand in Wirklichkeit aber allein insofern, als ihre Mutter die Schwester
einer Freiburgerin, und selbst auch hier verstorben, war. Von den Schauspielern der
Freiburger Aufführungen war in den USA außer den Brüdern nur noch ein einziger
Darsteller dabei. Vollkommen aus der Luft gegriffen war natürlich die Behauptung,
daß der gesamte Reingewinn der Passionsspiele in Amerika der Stadt „Jerusalem"
in Freiburg im Breisgau zugutekomme.99

Am 29. April 1929 war Premiere im Hippodrome von New York. Das Orchester
bestand aus 75 Musikern, im Chor sangen 100 Stimmen, und 1000 Statisten stellten
das Volk dar. Es muß sehr farbenprächtig zugegangen sein: echte Schafe, Esel und
Kamele vervollständigten die perfekte Illusion einer orientalischen Stadt. Einar Wilson
, angeblich der Vertreter von Max Reinhardt, hatte die musikalische Leitung, Da-

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