Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1994/0192
sehen Konzept der Armenfürsorge entstandene humanistisch-katholische Konzept des Juan
Vives überprüft werden können) anhand vieler Einzelschicksale geschildert. Die Kriegsnöte
und die vielen Einquartierungen, Besatzungs- und Festungsbaubelastungen der Franzosenzeit
(bes, Hans Schadek, Ulrich Ecker, Heiko Haumann) werden ebenso geschildert wie das mißliche
Schicksal der Einwohner des zu Freiburg gehörenden Untertanenlandes (Hans Schadek),
und auch die Situation der als Hexen verfolgten Frauen um die Wende zum 17, Jahrhundert
(Sully Roecken) kommt einfühlsam zur Sprache. Doch wird hierin vornehmlich das „Außeralltägliche
" das auch am ehesten in den Urkunden dokumentiert wurde, beschrieben, Im
Kapitel über „Das Rechts- und Gerichtswesen", in dem das von Ulrich Zasius 1520 geschaf-
fene Stadtrecht samt späteren Änderungen (Wendt Nassall) sowie die Strafgerichtsbarkeit und
Gerichtskompetenzen (bes. Heidi Verena Winterer-Grafen) vornehmlich anhand der Sollens-
ordnung vorgestellt werden, ist wenig von dem alltäglichen Funktionieren der Zivil- und Strafverfahren
, von persönlichen Schicksalen oder auch einer Instrumentalisierung der Prozesse
für politische Zwecke des Stadtrats oder der österreichischen Administration die Rede. Einzelnen
Autoren und Autorinnen allerdings gelingt es, wenigstens aspekthaft und bezogen auf ihr
Thema eine gewisse Alltagsatmosphäre zum Leben zu erwecken. Dies gilt besonders für den
von Hans Schadek gestalteten Beitrag zu den Freiburger Schulen, der über die Schulordnungen
hinaus Einblick in die Lehr™ und Lernpraxis der Zeit bietet, Es gilt dies ebenso für Frank
Rexroths Darstellung der Universitätsgeschichte, die auch das Studentenleben zur Sprache
bringt. Und schließlich vermögen die zwischen die Einzelkapitel gestreuten „Schlaglichter"
in denen auf Einzelpersönlichkeiten, Familien und Alltagsprobleme eingegangen wird, das
hier angedeutete Defizit zu einem guten Teil auszugleichen.

Das Entscheidende für die ansonsten uneingeschränkt positive Bewertung des Bandes aber
ist, daß die Entwicklungslinien einer frühneuzeitlichen Landes- und Verwaltungsstadt, die
Metamorphose vom Bürgerschaftlichen Verband, der sich selbst als Obrigkeit gegenüber den
Bürgern und erst recht seinen Untertanen im Umland verstand, zum Untertanen verband, der
einer im Interesse eines übergreifenden Staatsnutzens arbeitenden Administration unterstand,
deutlich herausgearbeitet werden. Daß die einst so stolze Quasi-Reichsstadt, die zu Beginn der
hier dargestellten Epoche noch einen Reichstag in ihren Mauern beherbergte (1498), zu einer
auch strategisch an Bedeutung verlierenden Landstadt herabsank, wird anhand der wechselvollen
politischen und militärischen Ereignisse bildhaft beschrieben. Immer wieder wird auf
den Niedergang des Diamantschleifergewerbes hingewiesen, bedingt vor allem durch den Festungsbau
und das dadurch verursachte Verschwinden der Arbeitsstätten; auch die chronische
Verschuldung des städtischen Haushaltes, der man durch die häufigen Sonderbelastungen
nicht mehr Herr werden konnte (Vom städtischen Haushalt: Kristiane Schmalfeldt), trug zum
Gestaltwandel der Stadt bei.

Ebenso positiv kann vermerkt werden, daß es den Autorinnen und Autoren, auch wenn sie
sich als Spezialisten ihres jeweiligen Themas fühlten, überwiegend gelang, das ihnen übertragene
Sujet in den Gesamtrahmen der Stadtgeschichte einzubinden, Die meisten scheuten sich

_ _ »*

nicht, durch gelegentliche Rückgriffe in die ältere Zeit die Neuerungen und Änderungen der
Frühneuzeit deutlicher herauszuarbeiten. Gut gelungen ist diese Anbindung etwa im Beitrag Petra
Mohdes über „Die Freiburger Klöster zwischen Reformation und Auflösung". Den Historiker
nicht ganz zufriedenstellend ist lediglich der Beitrag Leo Schmidts zur „Freiburger Stadtbau™
geschichte 1500—1800": Man erfahrt viel über einzelne Bauten von der Spätgotik bis zum Spätbarock
, wenig aber über Zusammenhänge zur Stadtpolitik, über planerische Gesamtkonzeptionen
und über die baulichen Besonderheiten einer habsburgischen VerwaltungsStadt im Widerspruch
zum bürgerlichen Repräsentationsbedürfnis. Daß daneben auch der Beitrag über die
Goldschmiede und Kristallschleifer (Ingeborg Krummer-Schroth) einen integrativen Teil der
Stadtgeschichte kunsthistorisch isoliert, war angesichts der Thematik nicht ganz zu vermeiden.

190


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1994/0192