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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
115.1996
Seite: 122
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chitektur zur rücksichtslosen Ausräumung der Sakralbauten, unter Umständen sogar
zum bedenkenlosen Abbruch bestehender Kirchen im Stile des Historismus.

5. Die Entwicklung der historisierenden Stile

Das späte 18. Jahrhundert erlebte in den Wirren der französischen Revolution den Untergang
des Rokoko, der sich allerdings schon längere Zeit vorher abzeichnete und
durch verschiedene Faktoren begünstigt wurde.

Der den Barock und Rokoko ablösende Klassizismus zeigte schon bald seine Mängel
bei der Realisierung der sich im beginnenden 19. Jahrhundert stellenden Bauaufgaben
. Vor allem genügte er nicht den Anforderungen des Kirchenbaus, wie sich
Hübsch bemühte darzustellen (siehe oben). — War er nicht gerade hier ein Widerspruch
? Konnte denn der heidnische Tempel wirklich das Vorbild für den Kirchenraum
der christlichen Gemeinde sein? Hübsch hat daher mit Nachdruck für die altchristliche
Basilika gekämpft, in ihr sah er sowohl einen bautechnischen Fortschritt,
wie eine adäquatere Lösung der Bedürfnisse eines christlichen Kultgebäudes.

Die „Renaissance der Basilika" war jedoch nur ein Zwischenspiel. — Neugotik
und Neuromanik sowie die Neorenaissance, diese vor allem im Profanbau, sollten die
eigentlichen Stile des Historismus werden. Insbesondere der Neogotik kam eine Führungsrolle
als kirchlicher Stil des 19. Jahrhunderts zu.

Mit Leidenschaft setzte sich das von Friedrich Baudri herausgegebene „Organ für
christliche Kunst" für die Wiederbelebung der Gotik ein. In ihr wird die eigentliche
Möglichkeit der Gestaltung einer Kirche, im Gegensatz zum klassischen Tempel, gesehen
. Die Neugotik wird zugleich als der glänzendste Beweis der „unerschöpflichen
Produktivität und ästhetischen Berechtigung der christlichen Kunst" 19 empfunden.

Neben der Neugotik und der an zweiter Stelle stehenden Neuromanik findet kein
weiterer Stil nach dieser Auffassung mehr Gnade. Ja, der Lobpreis dieser Stilrichtungen
geht einher mit „Haßtiraden" auf den Barock und die Renaissance, in denen man
nur noch ausgesprochene künstlerische Verirrungen sieht. Das Barockzeitalter wird
als „tolles Jahrhundert" der kirchlichen Kunstgeschichte empfunden, in dem die Klöster
mit der Schaffung ihrer Bauten den „eigenen Mördergeist heraufbeschworen"
haben. „Leere, sinnliche Äußerlichkeit" sei das Charakteristikum dieser Epoche.
„Jedes Princips wie jeder Grundlage baar taumelte die ,emancipirte' Kunst im Delirium
des Roccoco umher, die Gaffer mit ihren Capriolen ergötzend".20

Die Neugotik hat von diesem Verständnis aus mit der Kunst des vorhergehenden
Jahrhunderts gründlich aufgeräumt; auch z.B. im Freiburger Münster, das überwiegend
seine Barockausstattung verlor und dessen Altäre der bedeutende Architekt
Christoph Arnold — wie er sich ausdrückte — nur mit Widerwillen ansehen
konnte.21 Es sind wahre Wörtkaskaden der Verachtung, die das 19. Jahrhundert über
die „modernen Devastoren" des Barockzeitalters ausschüttete. — Kirchliche Kunst
wird nur noch in Form der historischen Stile als denkbar betrachtet. Kirchenamtlich
wurde sogar erklärt, daß für andere Bauten überhaupt keine Genehmigung erteilt
würde. Ein neuer, anderer Kirchenbaustil wird nicht mehr für denkbar gehalten.

Ich habe damit zugleich angedeutet, daß die Frage, wie wir mit dem Kunstschaffen
der jüngeren Vergangenheit umgehen, sich in analoger Weise für das 19. Jahrhundert

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