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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
115.1996
Seite: 222
(PDF, 35 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1996/0224
bekanntgegeben. Das Urteil selbst war bereits einen Tag nach der Verkündung von
der regionalen NS-Presse mit großer Aufmachung begrüßt worden.

In allen „Post- und Bahnmarder"-Fällen (Diebstähle und Unterschlagungen bei
Post und Bahn) wurden — mit Ausnahme der zwei ergangenen Begnadigungen —
grundsätzlich 1.000 Anschläge plakatiert. Dabei waren Plakate in Dienststellen und
Postämtern so anzubringen, daß die in Frage kommenden Beamten und Arbeiter sie
während ihres Dienstes möglichst oft zu sehen bekämen. Hier stand nachweisbar der
Abschreckungsgedanke im Vordergrund. Bei den „Gewaltverbrecher"-Fällen? wo
Vergleichbares hätte erwartet werden können, wurde überraschenderweise weitgehend
auf die Bekanntmachung der Hinrichtungen verzichtet. In vier der vorliegenden
Fälle untersagte das Reichsjustizministerium sogar ausdrücklich die Bekanntgabe der
Urteilsvollstreckungen. Nur die Hinrichtung des „jugendlichen Schwerverbrechers"
J., der eine junge Frau erschlagen hatte — eine Tat, die sicherlich einige Erregung
und Empörung in der Region hervorgerufen haben dürfte —? wird der Öffentlichkeit
durch 250 Plakate bekanntgegeben. Eine besonders perfide Art der Bekanntmachung
stellt das Plakat über den hingerichteten „Wehrkraftzersetzer" S. dar: Es wurde nicht
nur sein 20 Jahre zurückliegender Totschlag an seinem Vater in Erinnerung gebracht,
sondern darüber hinaus wurde der Hingerichtete zusätzlich als Sittlichkeitsverbrecher
vorgestellt.

Die Plakatierungspraxis wurde allem Anschein nach durch unterschiedliche Zielsetzungen
bestimmt. Im hochsensiblen Bereich des Post- und Verkehrswesens, wo
das Regime Vergehen wie Unterschlagungen und Diebstähle als „seuchenhafte
Kriegsdelikte" bewertete, wurde aus Gründen der Abschreckung in hoher Auflage
plakatiert. In anderen Bereichen unterblieb die Bekanntgabe von Hinrichtungen. Offenbar
sollte hier bewußt ein Mantel des Schweigens über die tatsächlich vorhandene
Kriminalität gelegt werden. Bei Straftaten jedoch, die nicht nur große Abscheu in der
Bevölkerung hervorriefen, sondern auch eine hohe Akzeptanz für die Vollstreckung
der Todesstrafe erwarten ließen, wurde entsprechend plakatiert. Hier ist die Absicht
unverkennbar, die in der Bevölkerung vorhandenen Stimmungen und Ressentiments
aufzugreifen und propagandistisch zu nützen.

Der sich bis heute hartnäckig haltende Satz „Das hat es im Dritten Reich nicht gegeben
" kann als Indiz dafür gelten, wie erfolgreich die Nationalsozialisten insgesamt
in der Handhabung ihrer Politik aus Information, Verschweigen und Propaganda hinsichtlich
der Kriminalität jener Zeit waren.

Anmerkungen

3 Auszugsweise und zusammenfassende Darstellung aus meiner Monographie „Die Todesurteile des
Sondergerichts Freiburg 1940—1945. Eine Untersuchung unter dem Gesichtspunkt von Verfolgung und
Widerstand", München 1996, Zu den Zahlenangaben vgl. Eberhard Kolb: Die Maschinerie des Terrors
, Zum Funktionieren des Unterdrückungs- und Verfolgungsapparates im NS-System, in: Br.v
CHER/Funke/Jacobsen (Hrsg.): Nationalsozialistische Diktatur 1933—1945. Eine Bilanz, Bonn
1986, S. 281; Walter Wagner: Der Volksgerichtshof im nationalsozialistischen Staat, Stuttgart 1974,
S, 799 f.; Adalbert Rückerl: NS-Verbrechen vor Gericht. Versuch einer Vergangenheitsbewältigung
, Heidelberg 1982, S. 75. Einige Publikationen fuhren den Volksgerichtshof betreffend weit höhere
Zahlen an, so z.B. für den Zeitraum 1942—1944: 10.289 Angeklagte und 8.909 Todesurteile, vgl.
dazu Kurt PÄtzold/Erika Schwarz: Tagesordnung: Judenmord: die Wannsee-Konferenz am 20. Januar
1942. Eine Dokumentation zur Organisation der „Endlösung44, Berlin 1992, S. 217. Eine differen-

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