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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
115.1996
Seite: 249
(PDF, 35 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1996/0251
aus Deutschland" (Paul Celan). Unbekannte hatten mit der Umfunktionierung des Gefallenendenkmals
ihre politische Meinung zum 27. November 1944 bekundet.

Die fünf Autoren, bestens ausgerüstet zu den vorliegenden Themen durch ihre Dissertationen
, befassen sich mit mentalitätsgeschichtlichen Aspekten der Kriegserinnerung in Freiburg
im Verlauf der verschiedenen politischen Systeme, Sichtbar hat sich die Erinnerung in Denkmälern
, Gedenktafeln und Straßenschildern niedergeschlagen, gedanklich in Frontkärnpfer-
treffen und Gedächtnisfeiern. Nicht daß hier Freiburg (oder Deutschland) einen Sonderweg
gegangen wäre, ein Blick über den Rhein — den die Autoren nicht werfen — zeigt zumindest
ähnliche Strukturen des Gedenkens.

Die Kriegserinnerung wird auf mehreren Ebenen aufgearbeitet: einmal durch die Umsetzung
der Ereignisse in Kunstwerke und Gedenkfeiern, zum anderen durch die zeitgenössische
Diskussion, die eine durch Abstand vom historischen Ereignis geprägte Sicht wiedergibt, Die
Autoren wiederum interpretieren Ereignis, Umsetzung und Zweck des Gedenkens, so daß
durch ihre Deutung eine weitere Ebene entsteht, die sich an der pazifistischen Bewegung der
90er Jahre orientiert. Die Autoren stehen somit alle in einer Tradition. Während sich jedoch
fünf Beiträge gezielt mit Freiburg befassen, weitet Holger Skor seine Abhandlung auf die nationalsozialistische
Propaganda und deren Psychologie aus.

Ute Scherb untersucht Kriegerdenkmäler, die den Blick auf tendenziöses Kriegsgedenken
lenken. Das Siegesdenkmal, den Soldatendes XIV. Armeekorps gewidmet, nicht den Freiburger
Soldaten, ist eigentlich kein Gefallenendenkmal, sondern eine Siegessäule, die eher an den
gewonnenen 70er Krieg und die Reichsgründung erinnert als an die Toten. Anders die Germania
auf dem Hauptfriedhof, die dem Gedächtnis der Gefallenen des Ersten Weltkriegs gewidmet
ist. Sie zeigt jedoch nicht Trauer, sondern Aufbegehren und ohnmächtige Wut — dahinter
steht wohl das „Diktat" von Versailles. Die helmbewehrte Frauengestalt hat damals innerhalb
der Stadt eine große Diskussion ausgelöst, wollte man doch ein Denkmal mit versöhnlichem,
nicht revanchistischem Inhalt. Nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden hier nur noch Denkmäler
in Stadtteilen, z.B. in der Wiehre, die jedoch alle auch der 1914/18 Gefallenen gedachten
,

Andreas Weber widmet sich zwei Themenkreisen, dem Kriegsgedenken nach 1870/71 und
dem „sich aus der Erinnerung schleichenden" Gedenken an die Zerstörung Freiburgs am 27,
November 1944. Für beide gilt, daß die Erinnerung an das Grauen, den Tod und die Zerstörung
bald von positivem Gedenken überlagert wurde. Den Wandel der Erinnerung an die Zerstörung
der Stadt im November 1944 untersucht der Autor anhand der Sprache, die beschönigte
, entpersonalisierte und „entwirklichte". Auf dem 1961 im Hauptfriedhof errichteten
Gedenkstein wollte man lieber „des (allgemeinen) Todes", nicht „der Toten" gedenken, standen
doch die „Leistungen des Wiederaufbaus" im Vordergrund. Erst allmählich wandelte sich
die Erinnerung, wurde der „Terrorangriff' hinterfragt, wurden kritische Fragen zu Schuld
und NS-Vergangenheit gestellt.

Völlig in Vergessenheit geraten sind die Feiern anläßlich der Schlacht von Sedan und von
Belfort im Verlauf des deutsch-französischen Kriegs. Während mit der ersteren die (überregionale
) Erinnerung an die Reichsgründung verknüpft ist, hat das Geschehen um Beifort direkt
zur hiesigen Region Bezug durch das, wie Weber es formuliert, „insgesamt unberechtigte"
Gefühl einer Bedrohung» Aber gerade dieses Gefühl war es, das den Belfort-Mythos schürte
und das Feindbild Frankreich aufbaute. Der Nationalismus und die Verherrlichung des
Deutschtums blühten, nicht zuletzt beim protestantisch geprägten nationalliberalen Teil des
Freiburger Bürgertums» Weber entlarvt die Gedenkfeiern als Nährboden, auf dem sich Kriegsbereitschaft
entwickeln konnte, auch wenn er für Freiburg „keine kriegslüsterne Stimmung"
konstatieren konnte. Implizit schwingt jedoch die These mit, daß 1870/71 die Unheilsverkettung
ihren Anfang nimmt.

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