Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 465,da
Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
115.1996
Seite: 250
(PDF, 35 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1996/0252
Am 4. Dezember 1914 brach der Krieg mit einer neuartigen Maschinerie in die Lebenswelt
der Menschen in Freiburg ein: mit bombenbeladenen Flugzeugen, Wurden anfanglich nur militärische
Ziele anvisiert, so kamen bald industrielle hinzu und schließlich auch Angriffe auf
die Bevölkerung als Vergeltungsmaßnahmen, ein Vorgeschmack auf den Zweiten Weltkrieg.
Christian Geinitz legt seinen Schwerpunkt im „Vergessenen Krieg" weniger auf die Kriegserinnerung
als auf die psychologischen Veränderungen infolge des „gewaltigen Einbruchs in
die Lebens weit der Stadt" durch die Flugzeugangriffe, 'Viel zu neu und zu interessant waren
die ungewöhnlichen Fluggeräte dieses strategischen Luftkriegs, als daß die Freiburger sich der
Gefahr bewußt geworden wären und realisiert hätten, daß sich die Front nun in ihre Heimat
verlegt hatte und diese nicht mehr unangreifbar war. In dieser Mentalitätsänderung sieht Geinitz
eine größere Umwälzung, als sie später die Fliegerangriffe des Zweiten Weltkriegs hervorriefen
.

Instrumentalisierung und Manipulation der Kriegserinnerung war eines der Propagandamittel
der Nationalsozialisten. Volker Ilgen, ein aus der Sparte der Werbe- und Mentalitätsgeschichte
kommender Autor, beschäftigt sich in seinem Beitrag mit der Benennung von Straßen
nach Helden des Ersten Weltkriegs, die zu Beginn des NS-Regimes zu einem „Heldenviertel"
in Freiburg führte. Machtergreifung auf scheinbar unwichtigem Terrain, quasi unpolitische
Heldenverehrung, sieht man vom geschichtsverfalschenden Langemarckmythos ab. Erst ab
1935 mußten „die Straßen mit der nationalsozialistischen Weltanschaung in Einklang stehen".
Da hatte Freiburg bereits sein Soll erfüllt.

Im Juli 1937 wurden beim Frontkämpfertreffen in Freiburg die Gäste aus Frankreich noch
„in aufrichtiger Gesinnung" begrüßt, ein Jahr später verkündete Hitler, nur gezwungenermaßen
habe er jahrzehntelang fest nur vom Frieden gesprochen. Kriegserinnerung als inszenierte
Kriegsvorbereitung, zwei Jahre vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs. Holger Skor untersucht
die nationalsozialistische Propaganda auf ihren semantischen, politisch-psychologischen Inhalt
, dringt hinter die Kulissen der Sprachumformung und zeichnet den Weg des „magischen
Worts" nach, das Gefühle und Leidenschaften aufwühlt, nicht mehr logischen Sinn beinhaltet.
Als Beispiel hierfür dienen ihm die Ansprachen während des Frontkämpfertreffens in Freiburg
mit ihren stereotypen Redewendungen. In herzlicher Atmosphäre wurden von den Freiburgern
Brücken über den Rhein geschlagen — doch auch sie waren nur Marionetten in der Hand des
größten Theaterspielers.

Hier ist ein beachtenswertes Buch entstanden, das nicht nur die Sichtweisen der heutigen

* A

jüngeren Generation über das Kriegsgedenken aufzeigt, sondern auch die vieler Alteren. Wird
es aber auch dem Bedürfnis der vom Kriegsgeschehen direkt Betroffenen gerecht, die die Erinnerung
an den Krieg — was nicht bedeutet, für den Krieg — wachhalten wollen, sei es als
Legitimation für ihr Handeln, sei es als Trost für ihre Verluste? Die größte Schwierigkeit für
Historiker besteht darin, die Vergangenheit mit der dafür notwendigen „Reinheit des Blicks"
(Grillparzer) zu sehen, ohne seither Geschehenes einzubringen. Diese mentalitätsgeschichtliche
Untersuchung ist auch ihrerseits wieder Deutung — aus der Sicht der Nachfolgegeneration
. Das reiche, leider nicht besonders gut reproduzierte Bildmaterial verlebendigt den Zeitraum
von knapp 70 Jahren. Ursula Huggle

Andrea Haussmann, Alltagsleben im Krieg, Freiburg 1914—1918 (Stadt und Geschichte.
Neue Reihe des Stadtarchivs Freiburg i,Br. 15) Schillinger Verlag, Freiburg 1994. 71 S. mit
zeitgenössischen Fotografien.

Vorbildlich recherchiert, gegliedert und dargeboten hat Andrea Haußmann ihr Thema „Alltagsleben
im Krieg". Es geht um Freiburg im Ersten Weltkrieg: zunehmende Verknappung der
Lebensmittel und der Gebrauchsgüter, am Schlangestehen vor den Läden auch im Bild abzulesen
. Signifikant war die sprunghafte Zunahme der Frauenarbeit ebenso wie das verzweifelte

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