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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
116.1997
Seite: 234
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tution autonomer „deutschkatholischer Gemeinden". Schwerpunkte der neuen Bewegung
lagen zunächst in Schlesien und Sachsen; schon im März 1845 schlössen
sich die Lokalgemeinden bei einem „Deutschkatholischen Konzil" in Leipzig zur
„deutsch-katholischen Kirche" zusammen. Bei diesem „Leipziger Konzil", das von
Robert Blum, einem berühmten Märtyrer der Revolution von 1848/49, organisiert
worden war, gab sich die neue Kirche ein einheitliches undogmatisches „Bekennt-
niß" sowie eine eigene Liturgie. Heinrich Schreiber stellte zwei Artikel dieses
„Glaubensbekenntnisses der deutsch-katholischen Kirche" seiner schon erwähnten
Schrift gegen Johann Baptist Hirscher als Motto voran, nämlich:

„Die Grundlage des christlichen Glaubens soll uns einzig und allein die Heilige
Schrift sein, deren Auffassung und Auslegung der, von der christlichen Idee durchdrungenen
und bewegten Vernunft freigegeben ist."

„Die Deutsch-Katholiken erstreben eine äußerlich-selbständige, der deutschen
Volkstümlichkeit angemessene Nationalkirche, innerhalb der allgemein-christlichen
, d. h. katholischen Weltkirche. Daher ihr Name. Sie dulden nicht nur, sondern
achten und fördern dasselbe Streben bei jeder anderen Nation."

An genau dem Tag, an dem in Leipzig das neue nationalkirchliche „Glaubensbe-
kenntniß" verabschiedet wurde, vollzog Heinrich Schreiber seinen Austritt aus der

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römisch-katholischen Kirche und den Ubertritt zum Deutschkatholizismus. Am
Ostertag 1845 schrieb er an den Freiburger Erzbischof: „Ew. Excellenz! Habe ich die
Ehre, meinen Anschluß an die deutsch-katholische Kirche hiemit gehorsamst anzuzeigen
. Von jeher lag Ihnen meine Lehre und mein Leben offen vor Augen; Sie wissen
, daß mir stets heilig war, in Beiden der erkannten Wahrheit Zeugniß zu geben.
Dazu habe ich mich nicht nur als Mensch und Christ überhaupt, sondern als Universitätslehrer
insbesondere für berechtigt und verpflichtet gehalten. Ich darf also wohl
hoffen, daß Ew. Excellenz auch in diesem Schritte das Ergebniß schwerer Prüfungen
und reiner religiös-sittlicher Uberzeugung nicht verkennen werden."30 Dieser Brief
ist für das Verständnis von Schreibers Entschluß äußerst signifikant. Schreiber deutet
seine Konversion als einen Schritt, der auf dem Hintergrund seiner bisherigen religiösen
wie theologischen Biographie nur folgerichtig ist. Er bekennt, aus Gründen
des Gewissens, um seiner religiös-sittlichen Überzeugung und nach schweren Gewissenskonflikten
so handeln zu müssen, wie er gehandelt hat. Daß er damit weitere
schwere Konflikte provoziert und seine Stellung in der Universität noch einmal erschwert
, dürfte ihm zu diesem Zeitpunkt durchaus bewußt gewesen sein. Heinrich
Schreiber war ein Gewissenstäter, im seriösen Sinne des Begriffes. Schon im Kontext
der Auseinandersetzungen um seine Entfernung von der moraltheologischen
Professur in der Theologischen Fakultät hatte er erklärt: „Ich bin Moralist und habe
als solcher nur die Anforderungen meiner Wissenschaft im Auge. Auf die Frage, wie
weit die Politik noch zur Zeit hierin gehen kann, lasse ich mich gar nicht ein."31

Seinen Austritt aus der römisch-katholischen Kirche machte Schreiber explizit,
indem er der Oberrheinischen Zeitung am 23. März eine Abschrift seines Briefes an
den Erzbischof überließ. Der Schritt des bekannten Universitätsprofessors fand weit
über die engen Grenzen Freiburgs hinaus Beachtung, hatte sich nun doch einer der
bekanntesten Vertreter des liberal-nationalen Reformkatholizismus in Südwestdeutschland
von der Amtskirche getrennt. Wie Schreibers Austritt, wohl die erste öf-

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