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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
116.1997
Seite: 243
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1997/0243
Prozesse der Durchsetzung von „Menschenwürde", etwa in Gestalt der Institutionalisierung
von „Menschenrechten", voranzutreiben. Die Kirche entspricht, nach der
inneren Logik von Schreibers Theologie, ihrem Herrn nur dann, wenn sie sich als exemplarisches
, avantgardistisches Subjekt der Förderung von Freiheit begreift und
den Aufbau einer Gesellschaft betreibt, in der jeder Mensch nur Zweck an sich selbst
und niemals bloßes Mittel des anderen ist. Sie soll die Institution des moralischen
Fortschritts der Menschheit bzw., wie Schreiber in einer an Herder orientierten Individualisierung
seines Fortschrittskonzepts betont, der einzelnen Nationen sein. So
wie jeder Mensch dazu aufgerufen ist, sich dem Ideal der Menschheit anzugleichen
und Gott, dem Urbild unbedingter Freiheit, immer ähnlicher zu werden, soll die
sichtbare Kirche dem Ideal des Reiches Gottes sich angleichen und jenes endgeschichtliche
Gottesreich heraufführen, in dem jeder dem anderen nur Bruder oder
Schwester bzw. ein Freier unter Freien ist. Unschwer lassen sich in Schreibers Ek~
klesiologie zentrale Elemente der von den politischen Frühliberalen entwickelten
Sozialutopien wiederentdecken, die Normen und Wertvorstellungen einer harmonischen
Bürgergesellschaft.72 Sein harmonistisches Integrationskonzept hat freilich
eine spezifisch römisch-katholische Komponente: Der Integration im Rahmen des
„Rechtsstaats", den Schreiber aus der „christlich-vernünftigen Freiheit" bzw. „Menschenwürde
" ableitet und fordert, wird die Integration über verbindliche religiöse
Kulturwerte, das Brüderlichkeitsethos der christlichen Uberlieferung vorgeordnet.
Die Vermittlung und gesellschaftliche Realisierung dieser christlichen Kulturwerte
aber begreift Schreiber primär als Aufgabe und Leistung der Kirche, Insofern muß
die Kirche eine starke Institution, das zentrale Integrationssubjekt sein. Bei aller
ökumenischen Offenheit - als moralische Gemeinschaft der freien, gleichen Christen
umfaßt Schreibers Kirche von vornherein auch die Protestanten - und trotz der
pathetischen Beschwörung von Autonomie und Menschenwürde ist dies ein weithin
noch traditionales und strukturell illiberales Gesellschaftskonzept. Schreiber geht
ganz ungebrochen von der Idee einer christlichen Gesellschaft aus und bindet - etwa
über die Gleichsetzung von „Menschenwürde" mit „christlich-vernünftiger Freiheit"
- die Freiheitsrechte des Individuums faktisch an dessen Christlichkeit bzw. Kirchenmitgliedschaft
zurück. Frei in einem verfassungspolitisch relevanten Sinne können
seiner Konstruktion zufolge nur die Mitglieder der Kirche sein. Die Pluralität der
„vier Standpunkte" beinhaltet gerade keine Offenheit für einen prinzipiellen religiösen
oder weltanschaulichen Pluralismus. Die Identifikation des Vernünftigen mit
dem Christlichen bzw. gar dem Kirchlichen bedeutet zwar nach innen hin, in Hinblick
auf den kirchlichen Katholizismus, einen erheblichen Gewinn an individuellen
Freiheitschancen: Sie legitimiert etwa Meinungs- und Gewissensfreiheit in der Kirche
bzw. eine Pluralität individueller christlicher Frömmigkeitsgestalten. Nach
außen hin ist sie aber gleichbedeutend mit einer kirchlichen Usurpation vernünftiger
Allgemeinheit. Vernünftig ist Schreibers Konstruktion zufolge nur der Kirchenchrist.
Andere religiöse Positionen - mit Blick auf die vormärzlichen religions- und verfassungspolitischen
Diskussionen ist insbesondere an die jüdische Minderheit zu denken
™ werden von vornherein als defizitär ausgegrenzt. Sie verbleiben ja, nach
Schreibers Konstruktion, auf dem „theologischen" Standpunkt und entbehren dessen
christologischer bzw. kirchlicher Vertiefung.

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