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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
118.1999
Seite: 118
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verweser Zimmermann nicht, wie 1848 sein Abstecher in die Emmendinger Gastronomie
zeigte.32

Auch am katholischen Lehrerseminar Meersburg übten sich die angehenden
Pädagogen im Umgang mit dem Gerstensaft. Im Hochsommer des Jahres 1844
zogen mehrere Besucher der Anstalt durch die Stadt und ließen sich in den Gaststätten
Bier ausschenken. Da sie als Trinkgefäß einen eigens erworbenen Nachttopf herumgehen
ließen, ist ihr Ausflug überliefert.33 Daß die jüngere „Intelligenz des Vormärz
" Bier bevorzugte, war kein badischer Sonderfall, sondern wurde 1848 auch von
einem überraschten Besucher Wiens festgehalten.34 Aber auch körperlich schwer arbeitende
Beschäftigte zentralisierter Großbetriebe dürften zu den Trendsettern im
Bierkonsum gezählt haben. Dies läßt sich zumindest aus dem ungewöhnlichen Fall
des Brauers Oswald Nitz schließen, der 1831 die Werkswirtschaft im Kollnauer
Hammerwerk pachten konnte, obwohl dieses Recht eigentlich auf Besitzer von Realwirtschaften
beschränkt war.35 Wohl nicht zufallig war auch die Bierproduktion der
Fabrikstadt Lahr relativ früh zu überlokaler Bedeutung gelangt; erst in den 1840er
Jahren gelang es Freiburgs Brauern, die an der Schutter erzeugten Biere vom lokalen
Markt zu verdrängen,36

Historische Einkehr

Daß die Politisierung weiterer Bevölkerungsteile nicht zuletzt über Feste und den
Stammtischdiskurs erfolgte, ist kein auf die Mitte des 19. Jahrhunderts beschränktes
Phänomen. Wirtshäuser als soziale und politische Orte sind von der historischen Forschung
in jüngerer Zeit aber nur selten systematisch in den Blick genommen worden
, und so kann kaum verwundern, daß man in einem vor wenigen Jahren erschienenen
Sammelband über europäische Orte des Alltags zwar Ausführungen zu Kaffeehäusern
, Friedhöfen, Gefängnissen und Krankenhäusern finden kann, nach
Gaststätten jedoch vergeblich Ausschau hält.37 Gerade das uns vornehmlich interessierende
ländliche Gasthaus im deutschen Südwesten weicht deutlich vom die Forschung
weitgehend beherrschenden Muster der norddeutschen (Arbeiter-) Kneipe
ab. Diesen von der Volkskunde schon früh thematisierten38 Unterschied lediglich mit
einem weniger stark ausgeprägten Stadt-Land-Gefälle39 erklären zu wollen, greift
jedoch zu kurz. Die Rolle der Gasthäuser fügt sich vielmehr ein in eine spezifische
politische Kultur. Bis in das 19. Jahrhundert hinein behielten manche Gemeinden
des Breisgaus die Wirtschaftsgerechtigkeit für ihre Stube,40 obwohl deren öffentliche
Funktionen mehr und mehr in den Hintergrund traten. Der Verkauf der Gemeindestube
hieß aber längst nicht in allen Fällen, daß mit dem Bau eines Rathauses oder
auch nur mit einem Sitzungszimmer im Schulhaus begonnen wurde. Die im Verlauf
der Revolution vielerorts aufkommenden Forderungen nach basisdemokratisch legitimierter
Gemeindepolitik - der Ihringer Märzverein meinte im Frühjahr 1849 sogar,
auf Bürgermeister und Gemeinderat gänzlich verzichten zu können41 - und die für
finanzielle Angelegenheiten erforderlichen häufigen Gemeindeversammlungen
machten ohnehin größere Räumlichkeiten nötig. Wirtshäuser waren eben nicht „Ersatz
für den fehlenden politischen Versammlungsort",42 sondern der seit langem
etablierte Schauplatz für Lokalpolitik. Öffentlicher als im Wirtshaus konnte man

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