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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
118.1999
Seite: 156
(PDF, 32 MB)
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nahm zu Protokoll: „Das Vertrauen der Bürger auf die streng gesetzliche Vornahme
der Wahlen in der Gemeinde ist gesunken."11 Bis auf die Gemeindeebene wirkte sich
die politische Instabilität aus und führte auch hier zu einer Legitimationskrise.

Die politische Lage der Regierung des Großherzogtums war äußerst prekär, weil
die Regierung sowohl von (links)radikalen Politikern wie Friedrich Hecker als auch
von Kritikern der Kirche unter Druck gesetzt wurde, seit der aus Schlesien stammende
Kaplan Ronge sich für eine Deutschkatholische Kirche stark machte. In Konstanz
und Freiburg brachen deshalb Unruhen aus, die sich bis in die Dörfer hinein
fortsetzten,12 Ronge fand Mitstreiter unter führenden Persönlichkeiten wie dem protestantischen
Pfarrer Zittel, der aus Schmieheim bei Kippenheim stammte. Er war
einer der Führer des kirchlichen Liberalismus und setzte sich im November 1845 auf
dem Landtag für die Gleichstellung der Deutschkatholiken mit den anderen Religionsgemeinschaften
ein. Daß diese Auseinandersetzung zwischen liberalen und
prorömischen Tendenzen auch vom 'kleinen Mann' wahrgenommen wurde, zeigt
beispielhaft folgender Ausschnitt aus dem Tagebuch des (katholischen) Kenzinger
Bauern Xaver Wagner aus dem Jahr 1845:13 „Ach mein liber Leser, das thraurend-
würdigste im diesem Jahr muß ich dir noch hindennach bringen. Ein katholischer
Geistlicher war außgetretten von seynem Priesterdum und wolde eine andere Seckt
außbräiten. Er nande sich mit Nammen Runge [Ronge]. Dieser brachte bey den
Landstäntten zuwegen an dem Landestag, wie das 19 Theihl zu ihm halden, wo nur
ein Theihl noch nicht. Einige von den Landständen tragen es bey dem Großherzog
vohr, wie das schöhn und gut werr, wann seyn ganzes Land eine Religeohn hette. Der
Großherzog vohn Baden sprach: Wie soll diß geschehen? Die Landständ gäben ihm
zu der Antwort: Die Katholiegen miesen runder und die Evangelischen miesen weider
hinauf. Auf das hat sich der Großherzog sehr entzetz und der Kronbrinz sprach
zu den Landständen: Mir wollen kein Religeionskrieg im Land nicht haben. Auf das
ziegt er den Tegen und jagt alle zur Kammer hinauß. Auf das muß ein jeder angäben,
waß er glauben will in dem ganzen Land. Er mag Glaubens seyn, waß er will/4

In Baden stieß der schlesische Priester auf große Resonanz, löste aber auch
Empörung aus wie bei dem Katholiken Wagner. Um wie viel mehr muß dieser Vorbote
des Kulturkampfes eine Gemeinde wie Kippenheim aufgewühlt haben, die von
vornherein durch das Simultaneum und den starken jüdischen Bevölkerungsanteil
zerrissen war, Zu Recht erkannte Bauer Wagner, daß der badische Regent Leopold
eine Auseinandersetzung auf kirchlicher Ebene unter allen Umständen vermeiden
wollte, auch wenn er dessen Abwehrreaktion zu drastisch sah. Der Polarisierung
zwischen einer den „allein wahrhaft katholischen Standpunkt" vertretenden Kirche,
der ultramontanen Bewegung, und dem aufklärerisch-liberalen Deutschkatholizismus
konnte Leopold jedenfalls nicht Einhalt gebieten. Diese Auseinandersetzung im
kirchlichen Bereich hatte Folgen auf politischer Ebene, zumal es der Freiburger Professor
Franz Joseph Büß verstand, die katholische Landbevölkerung zu mobilisieren
und eine Massenpetition gegen Zittels Antrag in Gang zu bringen. Die Regierung sah
sich daraufhin im Februar 1846 gezwungen, die Zweite Kammer aufzulösen.

Mit dieser Massenpetition war erstmals eine basisdemokratische Volksbewegung
provoziert worden, ein absolutes Novum in der damaligen politischen Szene. Bald
zog diese Bewegung ein weiteres Volksbegehren nach sich, wenn auch in kleinerem

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