Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 465,da
Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
118.1999
Seite: 183
(PDF, 32 MB)
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man nicht. Kronenwirt Ludwig Burger und Kaufmann Erdin stehen allerdings immer
noch unter polizeilicher Aufsicht. „Sie verhalten sich ganz ruhig und werden sämtlich
noch gehörig überwacht." Wie sehr Burger mit seinem Image als „Revolutionär"
zu kämpfen hatte, hat sich bei der Bitte um eine neue Gasthauskonzession gezeigt.

Ungeachtet der positiven Beurteilung in den Ortsbereisungsakten weist der Amtmann
mit keinem Wort darauf hin, daß sich die Gemeinde in den auf die Revolution
folgenden Jahren doch erheblich veränderte. Waren es zunächst einzelne „Revolutionäre
", die die Heimat verließen, so wanderten Anfang der fünfziger Jahre 252
Kippenheimer aus, überwiegend Protestanten»75 Offiziell verließen sie ihre Gemeinde
aufgrund der „gedrückten Verhältnisse wegen Mißwachses und Stockung
der Erwerbsverhältnisse", aber das restriktive politische Klima und die empfindliche
Einengung der Freiheit - es sei nur an die Ehebeschränkung erinnert - werden
wohl das Ihre dazu beigetragen haben, Das Paradoxe an diesem Aderlaß von rund
zwölf Prozent der Gemeindemitglieder ist, daß sich daraufhin die Vermögensverhältnisse
verbesserten, obwohl die Zurückbleibenden 18.000 Gulden für die Verschickung
der Armen aufbringen mußten. Die Zusammensetzung der Bevölkerung
verschob sich nun zugunsten der Juden, deren Zahl von 172 (1845) auf 212 (1858)
und 265 (1864) anwuchs.76 Das 1862 erlassene Gesetz zur bürgerlichen Gleichstellung
der Juden - die staatsbürgerliche besaßen sie seit 1849 - hatte sich positiv für
sie ausgewirkt,

Fünfzehn Jahre nach dem Volksaufstand, 1864, bot die Gemeinde Kippenheim
dem Betrachter das Bild einer wirtschaftlich sanierten und gesunden Gemeinde. Das
soziale Gefüge hatte sich zum Positiven gewandelt, der Mittelstand herrschte vor, es
wurde nicht mehr gebettelt. Die Einwohnerzahlen sanken durch Aus- und Abwanderung
auf 1,967, während das Vermögen auf 1,77 Millionen Gulden anwuchs. Und
das trotz der hohen Kosten für die Unterdrückung des Maiaufstandes, des Kriegsbeitrags
und der Ablösung der Zehnt schulden! Das durchschnittliche Pro-Kopf-Vermögen
war von 720 Gulden (1852) auf 904 Gulden (1864) angestiegen, während die
durchschnittliche Kinderzahl pro Familie von 5,3 auf 4,3 sank.77 Offensichtlich hatte
ein gesellschaftlicher Wandel stattgefunden, initiiert durch die 48er Revolution und
verstärkt durch die schwierige materielle Lage sowie die politische Unzufriedenheit
in der Reaktionszeit. Die Gemeinde hatte sich quasi gesund geschrumpft, aber sie
hatte auch einige ihrer fähigsten Köpfe an die neue Welt abgeben müssen: Männer,
die für eine Volksvertretung und bessere soziale Bedingungen eingetreten waren.

Anmerkungen

1 Heinrich Raab: Revolutionäre aus Baden 1848/49. Biographisches Inventar für die Quellen im Generallandesarchiv
Karlsruhe und im Staatsarchiv Freiburg. Bearbeitet von Alexander Mohr (Veröffentlichungen
der Staatlichen Archiwerwaltung Baden»Württemberg, Bd. 48). Stuttgart 1998;
Stadtarchiv Freiburg (StadtAF) B1/409 Nr. 20, Schreibmaschinenkopie des Tagebuchs von „Ludwig
Burger von Kippenheim, 1850. Gewidmet für meine Kinder Karl, Ludwig und Emilie Burger";
B1/409 Nr. 22 Tagebuch des Franz Gassenschmidt aus Freiburg (Kopie des in Privatbesitz befindlichen
Originals).

2 Josef Naudascher aus Mahlberg beabsichtigt, eine Abhandlung über die Revolution von 1848/49 zu
schreiben, in welcher auch Kippenheim erfaßt werden soll

3 Zum Vergleich; In Bombach entfielen durchschnittlich 1,5 Morgen auf jeden Einwohner, in Heck™
lingen 1,46, in Nordweil 1,07 (Ursula Huggle: Bombach, Hecklingen und Nordweil im 19. Jahr-

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